Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Gardinen und orangebraunen Vorhängen, die sich im Wind bauschten. Hier hatte jemand richtig Geschmack. Auf dem Esszimmertisch stand ein Strauß frischer Schnittblumen.
»So was wie das hier würde ich sofort nehmen!«, sagte ich strahlend zu Leo.
»Na bitte!« Leo klatschte begeistert in die Hände. »Und schon ist es deins!«
»Aber hier wohnt doch schon jemand?« Suchend sah ich mich um.
»Jetzt nicht mehr!« Leo scheuchte zwei schwarze Dienstboten weg und befahl ihnen etwas auf Englisch. »Nur ein kleiner Tapetenwechsel für einen meiner Mitarbeiter. Kein Problem.«
»Aber Leo, du kannst doch nicht eine andere Familie von hier verscheuchen?« Verdutzt sah ich mich um. Hier hatten eindeutig liebevolle Frauenhände gewaltet: die blitzsaubere Küche, die kuscheligen Kissen auf dem Sofa, die aufgeräumte Leseecke mit den Modezeitschriften, die Spielzeugkiste unter dem Bücherregal … Und die Schüssel mit frisch gezuckerten Erdbeeren auf der Anrichte war bestimmt nicht älter als ein paar Stunden!
»Ich bin hier der Boss, und alle tun, was ich sage.« Leo verschränkte die Arme vor der Brust. »Und du bist hier die Che fi n, und was du willst, ist den anderen Befehl.«
»Aber Leo … « Das war ganz und gar nicht, was ich wollte! Dieses Herrenmenschen-Getue gefiel mir überhaupt nicht. Hier wohnte offensichtlich eine junge Familie, die ich nicht aus ihrem Zuhause vertreiben wollte.
»Nicht, dass die jetzt in die Dracula-Villa ziehen müssen!«
»Das ist nicht dein Problem!« Leo legte den Arm um mich, führte mich auf die schattige Terrasse und drückte mich in einen Korbsessel. »Du fehlst mir so! Du und die Kinder! Wie kann ich hier jahrelang leben und arbeiten, wenn ihr in Reutlingen seid! Ihr könntet auch auf dem Mond sein.« Er nahm meine Hände und sah mich eindringlich an. »Gerti! Du bist meine Frau! Du gehörst zu mir! Das sagen auch alle meine Freunde.«
Verlegen starrte ich auf meinen Schoß, in dem unsere ineinander verschlungenen Hände lagen.
»Dasselbe meint Gitta auch, aber ich habe Angst vor diesem Land!«
»Aber das musst du doch nicht! Dummchen! Hier leben mehr Deutsche als in Bielefeld und Paderborn zusammen! Und alle sind supernett und schon ganz wild darauf, dich kennenzulernen!«
Er drückte aufmunternd meine Hände. »Ein paar davon kennst du schon! Wir Reutlinger sind eine eingeschworene Clique, halten zusammen wie Pech und Schwefel, jeder hilft dem anderen!«
»Ja, das habe ich schon gemerkt … « Ich sah mich vielsagend um. »Mit so viel Hilfsbereitschaft habe ich allerdings nicht gerechnet.«
Leo wischte den Einwand beiseite. »Lass nur! Hier arbeiten alle für mich. Mach dir keine Sorgen.«
»Aber … « Noch immer wagte ich es nicht, mich in dem fremden Gartenstuhl zu entspannen. Leo drückte mich in die Kissen. »Streck die Beine aus! Stell dir vor, wie du hier die Gastgeberin bist!« Er machte eine weit ausholende Geste. »Missis lädt zur Cocktailparty. Missis kocht schwäbische Hausmannskost für ihre deutschen Gäste. Weißt du, Kleines, das wird hier Stadtgespräch!« Er zündete sich eine Zigarette an und zeigte mit dem Glimmstängel zum Gartentor. »Die Neger werden am Tor stehen und dich begaffen und in ihren Townships erzählen, was weiße Missis da gekocht hat. Und dann werden sie versuchen, in ihren Elendshütten schwäbische Maultaschen zu kochen!«
Ein Grinsen umspielte seine Lippen.
»Mensch, Gerti, lass dich doch auf ein spannendes Abenteuer ein!« Leo sprang auf und ging vor mir auf die Knie, genau wie damals, als er mir vor der Mülltonne im Hof den Heiratsantrag gemacht hatte. »Sei doch nicht so spießig, Frau Wolf! Reutlingen ist schön, aber da kannst du mit sechzig immer noch Minigolf spielen!«
Ich musste wider Willen lachen.
Leo schnippte mit den Fingern, und wie aus dem Nichts erschien eine beleibte Schwarze mit buntem Turban und allerlei wild gemusterten Kleidern, die sie übereinander trug. Sie sah genau so aus, wie Leo sie beschrieben hatte! War es genau dieselbe, oder sahen hier alle Hausangestellten so aus?
»Ona, a drink for Missis.«
Hatte Leo nicht erzählt, dass seine Hausangestellte Ona hieß? Und diese hieß auch so? Vielleicht hießen alle Hausangestellten Ona?
Ona musterte mich neugierig, watschelte dann in die Küche und kam mit einer großen Schüssel Erdbeerbowle zurück, die Leo mit eiskaltem Champagner aufspritzte.
»Sag mir, dass es dir hier gefällt!«
»Ja, ähm … natürlich, das hier ist etwas ganz anderes als
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