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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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meiner Rückkehr einen Termin.«
    »Frau Wolf«, sagte der Arzt und zeigte auf sein fleckiges Sofa. »Setzen Sie sich einen Moment. Ich tu Ihnen nichts.«
    »Ja?« Matt ließ ich mich auf sein vorsintflutliches Möbelstück sinken, aus dem schon die Sprungfedern ragten. Als er mir eine Zigarette anbot, nahm ich sie, schon zu meiner eigenen Beruhigung.
    »Rum?«
    »Nein, danke.«
    »Hier ist Alkohol billiger als Wasser, wissen Sie das?«
    »Trotzdem nein, danke.«
    »Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf … «
    »Ähm … « Eigentlich brauchte ich von diesem Kerl keinen guten Rat.
    »Wenn Sie ernsthaft in Erwägung ziehen, hier zu leben … «
    »Ja?« Sollte ich dann mit dem Saufen anfangen, um Windhoek zu überstehen?
    »Haben Sie sich das auch wirklich gut überlegt?« Der Zahnarzt kratzte sich am Kopf. »Sie wollen Ihre Kinder herbringen?« Einladend hielt er mir ein brennendes Streichholz hin, aber ganz gegen meine Gewohnheit schüttelte ich nur kurz den Kopf und suchte nach meinem Feuerzeug in der Handtasche.
    »Mein Mann hat ein Recht auf seine Kinder.« Nervös stieß ich den Rauch aus.
    »Ich kenne den Kohle-Wolf. Wer kennt ihn nicht?« Der Zahnarzt zündete sich die Zigarette an und warf das Streichholz in den Spucknapf.
    »Bitte«, fragte ich spitz, »worauf wollen Sie hinaus?«
    Meine Stimme klang so ungeduldig, dass es sich der Zahnarzt anders überlegte.
    »Sie sollten sich in Deutschland prophylaktisch alle Zähne überkronen lassen«, sagte er gedehnt. »Dann haben Sie hier ein für alle Mal Ruhe.«
    Ich schluckte und nickte. »Ich denke darüber nach.«
    Als ich mich gerade erheben wollte, zog er mich wieder auf sein mottenzerfressenes Sofa. »Würden Sie mir einen großen Gefallen tun?«
    »Jeden.« Hauptsache, ich muss Sie und Ihre sogenannte Praxis nie wiedersehen, dachte ich im Stillen.
    »Können Sie nicht einen guten jungen Zahnarzt aus der Heimat mitbringen? Diesen modern eingerichteten Doktor … wie heißt er noch gleich?«
    »Sieker.«
    »Ja. Wenn Ihr Kohle-Wolf … Verzeihung, Ihr Mann, ihm einen so großzügigen Kredit gegeben hat, kann man diesen Sieker vielleicht überreden, mitsamt seiner modernen Praxis hierherzukommen? Ihr Mann hat schließlich schon halb Reutlingen hier angeschleppt.«
    »Ich kann es versuchen.«
    »Wissen Sie, in diesen politisch unruhigen Zeiten kommt ja niemand mehr freiwillig … «
    Traurig schüttelte der Arzt den Kopf, was seine drei fettigen Haarsträhnen dazu brachte, ihm wieder in die Stirn zu fallen.
    Politisch unruhige Zeiten gab es doch immer und überall, mal mehr, mal weniger, dachte ich nach über drei Wochen Gehirnwäsche von Leo und seinen Freunden. Alle hatten mir immer wieder versichert, hier sei alles in bester Ordnung. Sicherer könne man gar nicht leben. In Reutlingen sei es letztlich viel gefährlicher. Wir hatten hier unsere schwarzen Leibwächter, die uns auf Schritt und Tritt begleiteten und niemanden mit schwarzer Hautfarbe in unsere Nähe ließen. Außerdem fuhren wir ja niemals in ein schwarzes Getto, sondern hielten uns in der von Weißen bevölkerten Innenstadt Windhoeks auf. Es gab auch eine deutsche Schule.
    All das hätte ich dem Zahnarzt gern erzählt, aber er riss mich aus meinen Gedanken:
    »Ich selbst mach mich nämlich bald vom Acker und gehe zurück ins schöne Brackwede.«
    Ja, dachte ich. Das tu du mal! Vielleicht gibt es da auch einen Friseur.
    »Ich bin ja schon alt und mag nicht mehr.« Der Doktor stemmte sich mühsam aus dem Sofa und gab mir die Hand. »Nichts für ungut, liebe Frau Wolf, aber so eine schöne Frau wie Sie braucht ein strahlend weißes Gebiss. Aber das kann ich Ihnen leider nicht herzaubern mit meinem veralteten Equipment.«
    Immerhin sah er es selber ein. Er tat mir leid. Fast hatte ich das Gefühl, er hätte mir gern noch etwas anderes gesagt, es sich dann aber doch anders überlegt. Vielleicht, weil ich Leos Namen genannt hatte.
    Wieder verzog sich sein schwitzendes Gesicht zu einem traurigen Lächeln. »Dann wünsche ich Ihnen eine gute Heimreise und eine erfolgreiche Behandlung in Reutlingen.« Er schob mich ins dunkle Treppenhaus, wo ich vergeblich nach einem Lichtschalter suchte. »Und versuchen Sie unbedingt, einen jungen, modernen Zahnarzt herzukriegen. Der kann hier das Geschäft seines Lebens machen! Irgendwann heißt das hier nicht mehr Windhoek, sondern Kohle-Wolf-City!« Sein spöttisches Lachen hallte mir noch bis ins Erdgeschoss nach.
    Zurück in Reutlingen, eilte ich gleich zu

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