Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Doktor Sieker, einem jungen, tatkräftigen Zahnarzt mit einer blitzsauberen, sterilen Praxis. Der Unterschied zur Schmuddelpraxis war nicht zu übersehen: Fast musste ich laut lachen und hatte keinerlei Angst mehr vor der Behandlung.
Als er hörte, dass ich nach Südwestafrika auswandern wollte, schliff er mir in einer mehrstündigen Sitzung alle Zähne ab, verpasste mir Provisorien und überkronte sie eine Woche später tadellos. Alles ging reibungslos und fast schmerzfrei. Seine zwei jungen properen Assistentinnen halfen ihm dabei professionell und freundlich.
Auf meine Bitte, doch gleich mit nach Windhoek auszuwandern, reagierte er jedoch höchst abweisend. »Auf keinen Fall, Frau Wolf. Ich bin doch kein Selbstmörder.«
Als ich ihn fragend ansah, schüttelte er nur fassungslos den Kopf. »Und Sie wollen sich das wirklich ernsthaft antun?«
»Mein Mann braucht mich. Und die Bürger von Windhoek brauchen einen guten Zahnarzt!«
»Jeder muss seine eigenen Entscheidungen treffen«, beschied Doktor Sieker, während er mir die Rechnung ausstellte. »Ich fühle mich hier in Reutlingen sehr wohl. Außerdem habe ich drei Kinder.«
»Und ich zwei«, fiel ich ihm ins Wort. »Die nehme ich natürlich mit! Es gibt dort eine deutsche Schule, die Weißen bleiben ja komplett unter sich!«
Sein Kopf fuhr zu mir herum, als hätte ich etwas politisch Unkorrektes gesagt. Ich persönlich hatte doch überhaupt nichts gegen Schwarze! Ich wiederholte doch nur, was alle aus Leos Freundeskreis mir immer wieder beteuert hatten: Dass es sich in Windhoek um eine Art Dauerferieninsel für abenteuerlustige Deutsche handele, auf der die Schwarzen grundsätzlich Personal spielten: Sie waren freundlich, anspruchslos und sogar dankbar, dass man sie beschäftigte! Nur dass man dort kein Geld ausgab wie auf einer Ferieninsel, sondern auch noch eine Riesenmenge davon verdiente ! Was war denn daran falsch?
Doktor Sieker wollte sich auf keine weitere Diskussion mit mir einlassen und ließ nur etwas schmallippig meinen Leo grüßen. »Und rauchen Sie nicht so viel«, rief er mir noch mahnend hinterher, als ich in meinem neuen Frühlingskostüm seine perfekte Praxis verließ.
15
Dann ging alles ganz schnell. Ich vermietete den Teil des Hauses, in dem wir gewohnt hatten, damit die Schwiegereltern nicht so allein wären und eine zuverlässige Einnahmequelle hatten. Ich kündigte all unsere Versicherungen und Abonnements, die Mitgliedschaft im Tennisklub, bei der Musikschule und beim Turnverein für die Kinder. Ich meldete sie von der Schule ab, und es begann die große Abschieds-Runde bei unseren Freunden.
Viele von ihnen fielen aus allen Wolken. »Aber das wollt ihr doch nicht ernsthaft machen! Gerti! Hast du dir das auch gut überlegt? In diesen schwierigen Zeiten? So lass doch wenigstens die Kinder zu Hause! Die sind doch bei deinen Schwiegereltern bestens aufgehoben!«
Immer wieder versicherte ich tapfer, dass ich mir vor Ort selbst ein Bild gemacht hätte. Alles sei harmlos und friedlich, deutsche Schule, fester Zusammenhalt, und Leo brauche eben seine Familie, was doch wohl einzusehen sei! Er habe mich drei Wochen auf Händen getragen wie eine Königin, alle Bediensteten hätten vor mir geknickst, und sogar den schönsten, modernsten Bungalow hätte ich mir aussuchen dürfen. Der sei mannshoch mit Stacheldraht umzäunt, also überhaupt kein Grund zur Sorge! Je öfter ich dieses Loblied auf meine Zukunft sang, desto überzeugter war ich davon.
Unsere Freunde reagierten unterschiedlich. Bei manchen glaubte ich sogar eine Spur von Neid herauszuhören, wenn sie mir schmallippig »Viel Glück!« wünschten. Anderen konnte ich die Angst, uns könnte etwas Schreckliches zustoßen, nicht nehmen. Wieder andere meinten mit leisem Spott in der Stimme, wenn Leo da unten noch mehr Kohle mache als in Reutlingen, sei das natürlich Grund genug, dem Familienoberhaupt zu folgen. Und manche fragten mich bestürzt, ob ich dort nicht vor Heimweh sterben werde.
»Nein, ich werde dort schwäbisch kochen und einen Partyservice für die deutsche Clique aufziehen«, schwärmte ich voller Tatendrang. »Auch ins Modegeschäft könnte ich einsteigen. Leo hat gesagt, bei meiner Figur könnte ich seine Klamotten im deuts chen Klub vorführen!« Ich sah mich schon als First Lady von Windhoek zu einer B erühmtheit ava ncieren.
Nur ganz wenige freuten sich aufrichtig mit mir, zum Beispiel Gitta und Walter und ein paar andere enge Freunde.
»Du Glückliche, du
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