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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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erlebst wenigstens mal was!«
    »Gönn dir die paar Jahre in der Sonne!«
    »Schaut euch Land und Leute an, das ist eine Riesenchance für dich und die Kinder!«
    »Lass dich mal so richtig bedienen, so wie du dein Leben lang andere bedient hast!«
    Dann kam die Abschiedsfahrt zu meinen Eltern nach Glatten.
    Ich hatte sie absichtlich noch nicht über unsere Auswanderungspläne informiert, und wie erwartet weinten sie beide bitterlich.
    »Nun verlieren wir dich ein zweites Mal, Gerti!«
    »Diesmal gehst du für immer, das spüren wir genau!«
    »Wir werden dich und die Kinder nie wiedersehen!«
    »Aber Vater, Mutter, nun macht mal halblang!« Mit wegwerfender Geste zündete ich mir eine Zigarette an, dort auf der Bank vor dem ärmlichen kleinen Bauernhaus am Rande des Steinbruchs. Dort wo die Hölle meiner Kindheit stattgefunden hatte. »Wir kommen natürlich alle paar Monate auf Heimaturlaub!« Ich wedelte den Rauch weg. »Auf jeden Fall an Weihnachten!« Inzwischen saßen die Eltern und ich am wackeligen Gartentisch bei Stachelbeerkuchen und Kaffee an der wärmenden Hauswand. Bernd und Thomas tobten begeistert mit dem Schwein und den Hühnern durch den Matsch, und ich lachte nur darüber, dass sie ihre schönen neuen Sachen schmutzig gemacht hatten. Sich vorzustellen, ich hätte damals mit dreizehn nicht den Mut gehabt, mit der Samenhändlerin abzuhauen! Sich vorzustellen, ich säße heute als arme Bäuerin immer noch hier!
    »So ein weiter Flug!« Meine Mutter war ganz verzagt. »Die Kinder sind doch noch nie geflogen. Ach Gott, wenn das nur gut geht … «
    »Oh, Leo hat sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen! Er spendiert uns die Überfahrt auf einem Luxuskreuzfahrtschiff, der MS Europa!«
    »Und das kann er sich alles leisten?« Meiner Mutter fiel fast das Gebiss aus dem Mund, als sie die Prospekte des weißen Ozeanliners sah. Schöne, gut gekleidete Menschen lehnten mit einem Glas an der Reling, dahinter breitete sich der tiefblaue Ozean aus, und livrierte Stewards balancierten bunte Drinks auf ihren Tabletts.
    »Wir fahren in vier Wochen von Genua nach Walvis Bay, damit die Kinder begreifen, wie weit die Reise ist und sich langsam an das heiße Klima gewöhnen können!«
    Lachend erzählte ich meinen Eltern vom wundervollen Südwestafrika, von den lauen Winden, nach denen Windhoek benannt war, von den Tieren und Schwarzen. »Keine Sorge, die leben in ihren eigenen Gettos und wollen es auch gar nicht anders!«, verkündete ich im Brustton der Überzeugung. Ich zeigte den staunenden alten Leutchen Fotos von Leo und mir, im Busch vor einer Herde Zebras oder, von einem Schwarzen bedient, rauchend mit dem Whiskeyglas vor einer Lodge. »Schaut mal, das Erdmännchen auf der Motorhaube, das war vielleicht neugierig!« Besonders stolz war ich auf die Fotos von unserem Bungalow mit Swimmingpool. Ich schwärmte von unseren gut gelaunten Freunden, von meiner zukünftigen Haushälterin, der dicken Ona mit Turban und den vielen bunten Röcken, ja, von der großen weiten Welt. Und das in Glatten an der Glatt, im hintersten Schwarzwaldtal, im vorletzten schäbigen Haus vor dem Steinbruch, wo der liebe Gott mich als kleines Mädchen beinahe vergessen hatte. Meinem Vater fiel vor Staunen der Unterkiefer herunter, und meine Mutter krächzte immer wieder beeindruckt: »So ein toller Mann, dein Leo! Na, was unsere Gerti erleben darf!«
    Tja!, dachte ich rauchend, Leo, dich hat schon der Himmel geschickt. Jetzt beginnt das große Abenteuer.
    Fast noch schwieriger war der Abschied von den Schwiegereltern Ursula und Walter. Wir waren in den letzten vierzehn Jahren zu einer eingeschworenen Gemeinschaft geworden, die nun gewaltsam auseinandergerissen wurde. Ihr geliebter Wunder-Leo hatte sie ja schon vor vier Jahren verlassen, aber die Kinder und ich hatten den Verlust wettgemacht. Sie weinten sich die Augen aus dem Kopf. »Dass der Junge uns das antut!«
    »Uns unsere geliebte Schwiegertochter und die Enkel zu nehmen!«
    »Wir haben doch nur noch euch!«
    Auch ihnen versicherte ich, dass es ja nicht für immer sei und wir mindestens einmal im Jahr zu Besuch kommen würden, auf jeden Fall an Weihnachten. Und dass Leo unser beachtliches Vermögen noch weitervermehren würde, weshalb sie sich auf einen entspannten Lebensabend im Kreise ihrer Familie freuen dürften. »Unsere Wohnung ist doch nur für fünf Jahre vermietet! Dann ziehen wir wieder hier ein!«
    Unter Tränen und liebevollen Umarmungen ging auch dieser Abschiedsabend zu

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