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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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zwecklos, sie mit meinem Schwäbisch vollzutexten.
    »Stock. Du mir bringen.«
    »Ähm … nicht doch … Willst du etwa mich schlagen?« Hatte ich sie so genervt mit meinem Geschwätz, dass sie mich mundtot machen wollte?
    »Stock. Nix in Schrank.«
    »Nein, wir haben keinen Stock im Schrank, wir schlagen auch unsere Kinder nicht.«
    »Dann bringen Stock von Garten.«
    Gut, ganz wie sie wollte. Sie bestand auf einem Stock, also sollte sie ihn haben. Ich ging zum Holzschuppen ganz hinten an der Mauer, direkt neben dem dicken Abwasserrohr, das dort aufs freie Feld führte, zerrte an einem Strauch und brachte ihr schließlich den gewünschten Stock. Es war ein dürrer, vertrockneter Reisig.
    »So. Bitte schön.«
    Ona starrte erst auf den Stock und dann auf mich, ohne das Bügeln zu unterbrechen. Dann schlug sie sich vor die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Das kein Stock.«
    »Ich weiß, damit kann man jetzt niemanden strafen, aber das wollte ich doch auch gar nicht … Oder gibt es hier irgendein Tier zu vertreiben?«
    Ratlos stand ich da mit meiner Knecht-Ruprecht-Rute und wusste nicht, was ich damit machen sollte.
    »Da!« Ona zeigte augenverdrehend in Richtung Garten, wo an der Wäscheleine schon andere Hemden von Leo im Wind wehten. »Noch Stock!«
    »Also echt, Ona, keine Ahnung, was du meinst … « Nun wurde ich langsam ungeduldig.
    Ona knallte das Bügeleisen auf das Bügelbrett, nahm mich bei der Hand und zog mich zum Wäscheständer. Sie nahm eines von Leos Hemden vom Bügel, hielt ihn mir unter die Nase und sagte: »Das Stock.«
    »Aber Ona, das ist doch kein Stock, das ist ein Bügel!«
    »Bügel da drin.« Sie zeigte auf das Bügeleisen. »Und das Stock.«
    Kopfschüttelnd nahm sie den Bügel, drapierte das frisch gebügelte Hemd darauf und hängte ihn betont langsam auf. So als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.
    Inzwischen hatte sich Ona auf meinen Schnellkochtopf eingelassen. Auch so ein Teufelszeug, das ich von zu Hause mitgebracht hatte. Er war damals der neueste Schrei. Der Schnellkochtopf für die gestresste Hausfrau.
    Doch schnell war bei Ona gar nichts.
    Ich hatte ihr erklärt, dass sie zuerst bei geschlossenem Deckel gaaaaaanz lange kaltes Wasser darauflaufen lassen musste, bevor sie den Deckel öffnete.
    Missis lag gerade wieder im Liegestuhl und hatte Schlafdienst und Ruhephase, als ich aus der Küche einen ohrenbetäubenden Knall hörte.
    O Gott, war der Herd in die Luft geflogen? Doch nein, Ona hatte aus bekannten Gründen – »Nix Wasser über Topf gießen. Wasser trinken!« – mit Wasser gespart, den Topf mitnichten gaaaanz lange unter den kalten Strahl gehalten, und das Ding war explodiert.
    Ona rief alle Heiligen an, weil sie davon ausgehen musste, dass dies das Jüngste Gericht war, und krabbelte sich bekreuzigend durch den Gemüseeintopf. Überall waren die Kartoffelbömbchen hingeflogen, Rosenkohlgranaten und Blumenkohlmunition klebten in der ganzen Küche. Bei diesem Anblick musste ich herzlich lachen, während die Hunde und Katzen ziemlich pragmatisch mit der Säuberung des Küchenfußbodens begannen.
    Plötzlich sah ich wieder die magere kleine Gerti vor mir, die sich unter den Schlägen ihrer Mutter wand, wenn ihr etwas missglückt war. »Das ist eine Gottesgabe, die du hier verschleudert hast!« Aber auch das großzügige Gelächter meiner Schwiegermutter Ursula, wenn sie eine missratene Mahlzeit einfach aus dem Altbaufenster warf. »Das macht doch nichts, das kann doch jedem mal passieren. Die Jungs holen einfach Pizza!« Nun war ich »die Herrin«, stand da barfuß im Bikini und hielt mir den nicht vorhandenen Bauch vor Lachen.
    »Ona, das ist doch nicht so schlimm! Das kann doch mal passieren! Steh auf, alles ist gut!«
    Hier in Windhoek konnte man zwar nicht schnell zum Italiener gehen, um Pizza zu holen, aber dies war einer der wenigen Momente, in denen Ona mich für die Familie kochen ließ. Sie musste nämlich erst noch ihren Rosenkranz fertig beten.
    Fast war es, als würde sich der Kreis schließen: Ona wusch unsere Wäsche noch mit kaltem Wasser und der Hand, denn anfangs hatten wir in Windhoek noch keine Waschmaschine. Sie schleppte die Wäsche im Eimer auf dem Kopf zum Brunnen, und genauso kam sie nach Stunden wieder. Immer wieder sah ich diese Parallelen zu meiner eigenen Vergangenheit, nur dass ich immer klein und mager gewesen war, während sie außer den Zentnern Wäsche auch noch ihr eigenes stolzes Gewicht schleppen musste, und ich wusste nicht,

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