Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Redefluss, dass sie das überhörte.
»Die Ona hat sich so vor dem Staubsauger gefürchtet! Da kommt ein böser Geist raus!, hat sie immer gerufen und ist weggelaufen.« Sie lachte glockenhell. »Oder das Wasser, das hat sie immer auf dem Kopf vom Brunnen geholt. Hier bei uns kommt es aus der Wand. Bis sie das akzeptiert hat, sind Wochen vergangen.«
Irgendwie kamen mir diese Worte seltsam bekannt vor. Wie viele Jahre war es jetzt her, dass auch ich Wasser vom Brunnen geholt und die Stube mit dem Besen ausgekehrt hatte, weil wir weder fließend Wasser noch Strom hatten?
»Marion«, sagte ich und schnippte Asche in den Aschenbecher. »Der Name ist jetzt schon ein paarmal gefallen.«
Eine plötzliche Röte schoss Susi in die Wangen. »Tatsächlich?« Sie räusperte sich, als hätte sie plötzlich einen Kloß im Hals. »Das war die Vormieterin hier.«
»Und wo wohnt sie jetzt?« Ich sah die frühere Einrichtung immer noch vor mir. Hier hatte eine junge Familie gewohnt, bevor Leo mir den Bungalow quasi geschenkt hatte. Aber selbst die Vorhänge waren inzwischen ausgetauscht.
»Keine Ahnung«, wechselte Susi schnell das Thema. »Die ist schon lange wieder in Deutschland.«
»Und das Kind? Oder hat sie mehrere?«
»Kind? Wieso denn Kind!« Susi schien total aus dem Konzept gebracht worden zu sein.
»Ich habe hier Spielsachen gesehen. Malbücher und so.« Ich machte eine weit ausholende Geste. »Ein Schwimmtier lag hier rum, oder war es ein Schwimmring?«
»Du, kann sein, dass die Kinder hatte, so gut kannte ich die nicht.«
Aha. Komisch, wo doch alle Deutschen eine so eingeschworene Gemeinschaft waren.
»Hat ihr Mann auch für Leo gearbeitet?«
»Ja, aber wie gesagt, die sind schon lange wieder in Deutschland.«
»Hat es … Krach gegeben? Ich meine, wegen des Bungalows?«
»Aber nein!« Susi lachte eine Spur zu schrill. »Die wollten ohnehin ausziehen, wirklich, glaub mir! Der Mann hat einen Job in Hannover bekommen!«
»Na, dann ist es ja gut.«
In einer ruhigen Minute wollte ich Leo fragen, ob er wirklich eine junge Familie aus dem Bungalow geworfen hatte, nur um mir meinen Wunsch von den Augen abzulesen. Oder sagte Susi die Wahrheit, und diese Leute waren wirklich freiwillig ausgezogen, weil sie zurück nach Hannover gegangen waren?
»Wie hieß der Mann?«, fragte ich beiläufig, während ich mich nach dem Kätzchen bückte, das sich vor den Kindern an die schattige Hausmauer gerettet hatte.
»Joachim«, sagte Susi wie aus der Pistole geschossen. »Joachim oder Achim oder so.«
Hm. Irgendwas war da faul. Und ich würde auch noch herausfinden, was. Aber nicht heute!
So langsam gewöhnte ich mich in der neuen Heimat ein. Vormittags zog ich meine Bahnen im Swimmingpool, denn Ona weigerte sich, mich bei der Hausarbeit mitmachen zu lassen. Immer scheuchte sie mich genervt weg, wenn ich mich anschickte, einen Handgriff zu tun. »Missis Swimmingpool.«
Okay, na dann. Ich konnte es ertragen. Meine zweitausend Meter schwamm ich in kräftigen Zügen, dann war eine Stunde rum. Anschließend legte ich mich mit einem netten Schmöker in den Liegestuhl, denn aufstehen war verboten. »Missis ausruhen!« Das Einzige, was mir Ona nicht verwehrte, waren meine Einkaufsfahrten. Tatsächlich musste ich mich immer wieder zwingen, links zu fahren. War ich in Gedanken, fuhr ich automatisch rechts, und erst das Hupen des entgegenkommenden Fahrers ließ mich das Lenkrad herumreißen. Zum Glück gab es damals in Windhoek noch nicht besonders viel Verkehr. Meist waren es schwarze Busfahrer, die mir eine höfliche, aber eindeutige Handbewegung hinterherschickten. Ich versuchte, in den Geschäften deutsche Produkte zu ergattern, um für meinen Leo und die Kinder deutsch zu kochen. Leo wünschte sich verständlicherweise schwäbische Hausmannskost, und ganz besonders lechzte er nach Wurstsalat mit Zwiebeln und sauren Gurken.
Wenn das nicht gelang, übernahm schweigend und mit gleichbleibender Langsamkeit Ona das Kochen. Sie nahm mir einfach den Rührbesen, die Pfanne oder den Topf aus der Hand und befahl: »Missis Swimmingpool.« Ich war schon dunkelbraun und sah aus wie eine verbrutzelte Indianerin.
Nachmittags kam zum Glück Abwechslung in dieses Dauer-Feriendasein: Wir deutschen Mütter und Kinder trafen uns reihum an den Swimmingpools der Häuser und Bungalows, und so lernte ich sie alle nacheinander kennen. Die meisten waren nett und lustig, manchmal hatte ich das Gefühl, sie tuschelten hinter meinem Rücken.
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