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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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allen Betroffenen der Wunsch, sich von der weißen Fremdherrschaft zu befreien und die Unabhängigkeit des Landes herbeizuführen. Sie wollten sich mit der ungerechten Apartheids-Politik, mit der Einteilung in Menschen erster und zweiter Klasse einfach nicht abfinden. Sämtliche Regierungsgebäude und viele private Geschäfte und Unternehmen, so auch Leos Firmen, hatten getrennte Eingänge für Schwarze und Weiße. In Bussen durften die Schwarzen höchstens hinten sitzen, wenn sie nicht sogar stehen mussten. Einmal hatte ich beschämt mit ansehen müssen, wie eine schwangere Schwarze mit zwei Kleinkindern einem weißen Schuljungen ohne zu zögern Platz machte, woraufhin sich der Bengel wie selbstverständlich auf den Sitz fallen ließ, wo er es sich Kaugummi kauend und Beine baumelnd bequem machte. Kein Wunder, dass der Hass der schwarzen Bevölkerung auf uns wuchs. Wir Weißen saßen im wahrsten Sinne des Wortes auf einem Pulverfass. Ich ahnte anfangs nichts von den schwelenden Unruhen, wollte es aber auch gar nicht so genau wissen. Ich war eine Meisterin im Verdrängen. Nun waren wir hier, hatten uns dazu durchgerungen, hier zu leben, also was nutzte es, sich über die politischen Ungerechtigkeiten den Kopf zu zerbrechen? Zu lange waren die Umstände schon so, und unsere Schwarzen schienen es ja auch klaglos zu akzeptieren. Wir waren gute Arbeitgeber. Zu mir waren die Schwarzen freundlich und zuvorkommend, und ich dachte, das sei in ganz Südwestafrika so. Wir deutschen Hausfrauen lebten in einem goldenen Käfig und stellten dieses Dasein im allgemeinen Interesse nicht infrage. Allerdings weigerten sich sowohl Ona als auch Jasper, unser Gartenboy, mich zum Einkaufen zu begleiten.
    »Das nix gut für Missis.«
    Jasper machte mir in seiner bescheidenen Art klar, dass ich mich lieber nicht öffentlich mit einem Schwarzen sehen lassen sollte. Wie bereits erwähnt wohnte er in einer steinernen Baracke hinter der Garage. Hier hatte er eine einfache Liege, eine Kochstelle, einen Stuhl und einen Tisch. Das war sein Zuhause, und er war damit durchaus zufrieden. Er hatte ja am Gartentor Wache zu halten, wohnte also nahe am Arbeitsplatz. Nie wollte Jasper mit uns essen, ebenso wenig wie Ona. Das war für beide völlig ausgeschlossen. Jasper reinigte täglich den Pool, suchte Garten und Terrasse nach Spinnen ab und erledigte die spärlichen Gartenarbeiten. Es war für mich ein gutes Gefühl, dass ein Mann in der Nähe war, der uns im Notfall hätte beschützen können, denn Leo war immer öfter tagelang abwesend. Er expandierte offensichtlich immer noch, ich hatte längst keinen Durchblick mehr, und Leo sprach auch nicht darüber.
    Jasper sprach ein bisschen besser Deutsch als Ona. Er hatte schon bei verschiedenen deutschen Familien gearbeitet. Seine kostbarsten Besitztümer waren ein paar alte Ansichtskarten aus Deutschland, Holland und Österreich, die ihm seine ehemaligen Herrschaften geschickt hatten. Nachdem Jasper Vertrauen zu mir gefasst hatte, ließ er mich seine Schätze sehen. Ich bestaunte den Viktualienmarkt in München und das Hamburger Rathaus, den Kölner Dom und eine Stadtansicht von Tübingen, schließlich hielt er mir eine Schwarz-Weiß-Postkarte mit dem verschneiten Bergmassiv der Österreichischen Alpen entgegen. »Viele Grüße vom Kitzsteinhorn!«
    »Was das?«
    Jaspers schwarzer Finger glitt über die weiße Pracht.
    »Schnee, Jasper, das ist Schnee.«
    »Was Schnee?«
    »Schnee ist wie weißes Pulver.«
    »Wie kommt Schnee auf Erde?«
    »Vom Himmel, Jasper. Vom Himmel.« Ich machte mit den Fingern sanften Schneefall nach und sang dazu in meinem schwäbischen Akzent »Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit? Du wohnst in den Wolken, dein Weg ist so weit.«
    Jasper legte den Kopf in den Nacken und sah in den tiefblauen Himmel.
    »Nicht hier, Jasper. Da kannst du lange warten!«
    »Wo Schnee?«
    »Nur wenn es kalt ist!«
    »Wie kalt?« Er hielt seine Hand fragend an die Kanne Wasser, die auf dem Tisch stand.
    »Noch viel kälter, Jasper.« Ich nahm einen Eiswürfel heraus und drückte ihn ihm in die Hand. »So kalt.«
    »Kommt Eis von Himmel?« Erschrocken blickte er wieder nach oben.
    »Nein, nur in den seltensten Fällen. Das hier ist Schnee. Darauf kann man Ski fahren.«
    Womit ich neue Verständnislosigkeit erntete.
    Am nächsten Tag brachte Jasper mir wieder seine Postkarten, und das Erklären und Staunen ging von vorne los. Den Kölner Dom hatte er irgendwann verstanden, auch die

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