Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Arbeiter auf seiner Farm beschäftige.
»Und wo leben die?«, fragte ich neugierig. Auf der Farm hatte ich nur die zwei Hausangestellten gesehen.
»Du wirst lachen, Gerti!« Willem schob seinen breitkrempigen Hut in den Nacken und blinzelte in die Sonne. »Ich habe ihnen neue, vernünftige Unterkünfte bauen lassen, mit fließend Wasser und Toiletten. Eine Kochstelle und ein Bett für jeden. Und was machen sie? Sie lassen ihre Tiere drin wohnen und bleiben in ihren ehemaligen Behausungen. Alte Bretterhütten ohne Strom und Wasser, meist ohne Fenster, geschweige denn Möbel. Dort sitzen sie vergnügt auf dem Boden.«
»Was?« Jetzt musste ich wirklich lachen. »Die Tiere haben fließend Wasser und Toiletten, und deine Mitarbeiter … ?«
»Gehen aufs Feld. In die Steppe. Dort verrichten sie dann ihr Geschäft.«
»Aber warum gehen sie nicht in die neuen Wohnungen?«
»Sie machen sich nichts daraus.« Willem kratzte sich den Bart. »Ich kann machen, was ich will, aber sie sind stur. Wat der Bur nicht kennt, frisst er nicht.«
Das kam ja tatsächlich dem nahe, was Leo mir über die Schwarzen und ihre Gettos erzählt hatte. »Die kennen es nicht anders und wollen es auch nicht anders.«
Dann erzählte mir Willem von seinem gescheiterten Versuch, alle Kinder seiner Mitarbeiter in die Schule nach Windhoek zu schicken.
»Die sollen es einmal besser haben als ihre Eltern!«
Willem bremste vor einem Schabrackenschakal, der über die Schotterstraße lief. Er sah aus wie ein herrenloser Hund. »Der sucht nach Aas«, erklärte mir Willem. »Ich habe also einen Bus organisiert, der jedes Kind im schulfähigen Alter von seiner Hütte abholen soll. Aber die Schwarzen lassen ihre Kinder nicht hingehen!«
»Was?«, mischten sich nun auch Thomas und Bernd vom Rücksitz aus ein. »Das fänden wir aber klasse, wenn unsere Eltern uns nicht lassen würden!«
Sie lachten übermütig.
»Das fändet ihr drei Tage lang gut«, sagte ich unbeeindruckt. »Und dann würdet ihr euch nach der Schule sehnen!«
»Aber ich werde mich schon noch durchsetzen!«, sagte Willem fest entschlossen. »Du wirst schon sehen, Gerti. Übermorgen gehe ich von Hütte zu Hütte und hole die Kinder eigenhändig ab.«
»Warum wollen die Eltern denn nicht, dass sie was lernen?«
»Sie haben selbst nie eine Schule von innen gesehen, und dieser neue Kram ist ihnen unheimlich.« Willem sagte das so trocken, dass ich laut lachen musste.
»Sie hüten ihre Ziegen und Rinder, leben immer noch wie vor tausend Jahren und sehen nicht ein, warum sie etwas daran ändern sollten.«
»Eigentlich beneidenswert«, murmelte ich leise.
Zurück auf der Farm sah ich Willem und seine Familie mit ganz anderen Augen. Sie hatten sich für dieses Leben mit allen Konsequenzen entschieden. Nicht so wie wir, die wir eigentlich Klein-Deutschland nach Südwestafrika gebracht hatten und von den Schwarzen erwarteten, dass sie unsere Gewohnheiten annahmen. Ona beispielsweise konnte inzwischen handgemachte Spätzle und Essigwurst zubereiten.
Nein, Willem und Carola hatten sich den hiesigen Sitten angepasst und versuchten, den Einheimischen zu helfen. Ihr Kühlschrank bestand aus einem steinernen Verschlag, der mit Lehm verkleidet war, der vor der Hitze schützte. Ihr Wasser speicherten sie in großen Tanks rund um die Farm. Immer wieder fanden wir Tierkadaver darin. Die Tiere waren wohl so durstig gewesen, dass sie ihre Scheu vor den Menschen überwunden hatten und beim Versuch, aus dem Wassercontainer zu trinken, hineingefallen und elendiglich ertrunken waren. Anschließend war das Wasser natürlich als Trinkwasser nicht mehr zu gebrauchen, und Willem schüttete es weg. Die Tierkadaver schleppte er an den Rand eines Geröllfelds und begrub sie da. Dann galt es, neues, kostbares Trinkwasser in großen Fässern herbeizuschaffen. Willem tat das ohne jede Verbitterung. Er hatte sich eben mit Haut und Haar für Afrika entschieden.
Am Montag ging ich neugierig mit, als er energisch von Hütte zu Hütte schritt, um die schwarzen Kinder zur Schule abzuholen.
»Sam, ich hab dich genau gesehen! Es hat keinen Sinn, sich zu verstecken!«
»Komm schon, Mina, lass deine Tochter gehen. Sie soll was lernen!«
»Nein, Bahee, dein Sohn soll nicht so enden wie du! Er kann Landwirtschaft studieren und euch allen hier zu einem besseren Leben verhelfen! Also komm schon unter dem Bett hervor, sonst zieh ich dich raus!«
Mit einer Engelsgeduld sammelte er sämtliche Kinder aus fünfzig Familien ein
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