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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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die Welt gesetzt hat und alle nur ausnutzt?
    So lebte ich vorerst das harmlose Leben der Gerti Wolf weiter, die gerne Kuchen bäckt und ansonsten im Liegestuhl liegt. Weihnachten stand vor der Tür. Ich riss mich zusammen und begann mit den Vorbereitungen. Ich wollte es meinen Kindern so schön wie möglich machen. Bei vierzig Grad im Schatten buk ich Kekse, mit einer roten Nikolausmütze auf dem Kopf. Dabei lief mir der Schweiß von der Stirn und mischte sich mit vielen heimlich geweinten Tränen. Die Kinder waren voller Vorfreude und packten verschwörerisch flüsternd Geschenke für ihre Eltern ein.
    Mit Jasper, unserem Boy, streiften wir über das felsige Gelände außerhalb unseres Gartens und suchten nach einem passenden Weihnachtsbaum. Schließlich schleiften wir einen dornigen Strauch nach Hause. Er war so alt und ausgedörrt, dass ich mir einbildete, Moses hätte darin schon seine Zehn Gebote verkündet. »Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht lügen. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.«
    Stoisch behängte ich das Ding mit Reutlinger Weihnachtsschmuck, wobei mir braun gebrannte Kinderhände eifrig assistierten. Lametta wurde aus Pappschachteln genommen, silberne und rote Kugeln wurden aus raschelndem Seidenpapier gepackt und von einer argwöhnischen Ona entstaubt. Die Kugeln hatten die Überfahrt auf der MS Europa doch tatsächlich überlebt. Ich hatte sie ja auch sorgfältig genug eingepackt, mithilfe meiner lieben Schwiegermutter Ursula! Auch Jaspers Augen spiegelten sich in dem für ihn unvorstellbar kostbaren Weihnachtsschmuck, den er mit offenem Mund anstarrte. Dann begann die Prozedur mit den Kerzen. Vierzig Kerzen wurden sofort krumm vor Hitze und verweigerten ihren Dienst. Das war der einzige Moment, in dem sogar ich lachen musste. Unter den verblüfften Blicken Onas und Jaspers stopfte ich alle Kerzen in die Tiefkühltruhe, bevor ich sie erneut an den Baum steckte und sie ganz schnell anzündete. Jasper stand mit zwei Eimern Eiswasser zum Löschen bereit.
    Es gibt ein Foto im Familienalbum, das zeigt, wie wir braun gebrannt um den Dornbusch herumstehen und auf die schmelzenden Kerzen starren. Wie symbolisch dieses Bild doch ist! Unter Aufbietung aller Kräfte versuchte ich im wahrsten Sinne des Wortes, den Schein zu wahren, obwohl höchste Brandgefahr bestand und wir in konstanter Alarmbereitschaft waren.
    Leo steht lächelnd dabei und hat die Arme um seine Söhne gelegt. Unter dem »Baum« türmen sich Päckchen, und im Hintergrund lehnt eine stolze Ona an der Wand.
    Selbst als Leo nach diesem Schnappschuss sofort zu Marion und seinen anderen Kindern fuhr, strahlte ich weiter und packte unter lautem Gejubel die Geschenke meiner Kinder aus. Der Papi musste leider wieder arbeiten. Er war ja so tüchtig.

22
    An Silvester waren wir bei Susi und Henry Meyer eingeladen und saßen bei dreißig Grad im Garten. Die Grillen zirpten, die Kinder planschten im Pool herum, der Mond kam ab und zu milchig hinter den Wolken hervor, die wie Zuckerwatte über den samtschwarzen Himmel zogen. Es herrschte eine seltsame Stimmung. Einerseits wollten wir uns gegenüber den Kindern nichts anmerken lassen, andererseits fühlten wir uns wie auf einem Pulverfass. Es hätte ein wunderschöner, romantischer Abend sein können, aber er fühlte sich an wie die Ruhe vor dem Sturm.
    Leo glänzte wieder mal durch Abwesenheit.
    »Er ist schon an Weihnachten direkt nach dem Essen zu Marion verschwunden«, teilte ich meinen Freunden leise mit. »Die Kinder haben nichts gemerkt.«
    »Wie du das durchziehst, Gerti, bewundernswert!« Henry Meyer sah mich mitfühlend an. »Wir halten zu dir. Wir haben dir das eingebrockt und helfen dir da raus.«
    Seufzend lehnte ich mich in meinem Gartenstuhl zurück. »Was das nächste Jahr wohl bringen wird?«
    »Die Freiheit, Gerti, das versprechen wir dir!« Hubert Schmoll, ein lustiger Geselle, der normalerweise einen Witz nach dem anderen erzählte, drückte mir liebevoll die Hand. »Wir kriegen das schon hin.«
    Sein bester Freund Teddy Dreier, ein Glatzkopf, den ich ebenfalls sehr mochte und der in seiner Freizeit Geige spielte, klopfte mir beruhigend auf die Schulter. »Wir haben schon einen Plan.«
    »Wie wollt ihr das denn anstellen?« Meine Stimme hallte von der hohen Mauer wider, die das Grundstück einrahmte.
    »Psst, leise, Gerti! Die Kinder können mithören«, warnte mich Henry Meyer.
    »Wie wollt ihr das denn anstellen?«, zischte ich flüsternd. Unwillkürlich keimte

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