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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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mitnehmen, nur die Kinder schnappen und weg. Bis dahin musste ich harmlos tun, die Kinder ablenken oder eben Lügen erfinden.
    Baldrian und Zigaretten waren meine täglichen Begleiter.
    An diesem Abend wollte ich mich Ona gegenüber unbedingt erkenntlich zeigen. Leo war wieder weg; bei Marion oder wo auch immer, und Ona und ich hatten die Küche aufgeräumt. In einer Aufwallung von Dankbarkeit und Zuneigung nahm ich alle Hirse- und Fleischvorräte aus dem Kühlschrank und stellte sie für Ona auf den Küchentisch.
    »Da, Ona. Für dich.« Von mir aus konnte sie auch wieder eine Woche wegbleiben und mit ihren Freunden Party machen.
    »Für Ona? Alles?« Fassungslos fuhr sie über die Fleischberge, Hirsesäcke und das Sixpack Heineken.
    »Ja, Ona. Du gute Frau.«
    »Danke, Missis, oh, danke!« Ihr kamen vor Freude die Tränen. Eifrig versuchte sie, die ganzen Köstlichkeiten auf ihrem Kopf zu balancieren. Aber bei aller Liebe: Es war unmöglich.
    »Ona, ich fahr dich schnell.« Ich suchte schon nach den Autoschlüsseln.
    »Nein, nix Missis Getto!« Ona wehrte ängstlich ab. Wieder packte sie Dinge auf ihren Kopf, die aufgrund der Schwerkraft einfach nicht oben bleiben wollten.
    »Aber Ona, du kriegst das nicht zu Fuß auf dem Kopf nach Hause!«
    »Ona gehen!«
    »Sei nicht albern, Ona! Ich fahre dich heim. Ist doch kein Ding.«
    »Nix Missis Getto!« Nun flossen Onas Tränen. Ich hielt sie für Rührung und falsche Bescheidenheit.
    »Ona! Du kannst das unmöglich tragen! Sieh es doch ein!«
    »Ona gehen!«
    Sie war schon immer ein Sturschädel gewesen, aber diese Dickköpfigkeit ließ ich nicht durchgehen.
    Schnell schlüpfte ich in meine Schuhe und rief: »Jungs, wir fahren die Ona nach Hause!«
    »Oh! Cool!« Die beiden nassen Kerle kamen sofort angetrabt und freuten sich über die Abwechslung. »Geht das denn? Es ist doch schon dunkel!«
    Es galt die strikte Regel, dass Weiße ihre Häuser bei Dunkelheit nicht mehr verlassen. »Wir machen eine Ausnahme. Schließlich sitzen wir im Auto.«
    »Nein, nix Kinder Getto«, sagte Ona. »Nix Missis fahren!«
    »Doch, Ona, ich bestehe darauf. Sei doch nicht so bescheiden, meine Liebe!«
    Geschäftig packte ich ihre Sachen bereits in Kartons und verlud sie gemeinsam mit Thomas und Bernd in den Kofferraum.
    Als unser Auto kurz darauf hupend vor dem Gartentor auftauchte, kam Jasper völlig irritiert aus einer Hütte. Fragend steckte er seinen Kopf herein. »Wohin Missis fahren?«
    »Ich bringe nur schnell die Ona nach Hause!«
    »Nix gut, Missis, nix Getto!«
    »Wir bleiben ja im Auto, Herrgott noch mal, stellt euch doch nicht so an!«
    Energisch drückte ich aufs Gaspedal, und kopfschüttelnd öffnete Jasper das Tor.
    In Katutura wurde mir schlagartig klar, warum Ona so dagegen gewesen war: Plötzlich waren wir von hassverzerrten Gesichtern umringt, Steine flogen auf unser Auto. Verängstigt zogen wir die Köpfe ein. Fäuste donnerten gegen die Windschutzscheibe, wir wurden bespuckt und lauthals beschimpft. Im Schritttempo fuhr ich weiter, über unbefestigte Wege voller ölschillernder Pfützen und Fäkalien. Hunde hinkten heran, Kinder und Frauen starrten uns an. Sie sahen ausnahmslos ärmlich und abgerissen aus, barfuß, verdreckt, ein einziger lebender Vorwurf. O Gott, ich hatte ja nicht geahnt, unter welchen unmenschlichen Bedingungen sie hier lebten! Ona hatte nie ein Wort darüber verloren. Und Leo hatte immer behauptet, sie täten das freiwillig! Am liebsten hätte ich mich tot gestellt. Unser Wagen kroch durch die Schlaglöcher. Immer mehr Gettobewohner tauchten auf und versuchten, unser Auto umzuwerfen.
    Mir schlug das Herz bis zum Halse. O Gott! In welche Situation hatte ich mich und die Kinder gebracht! Ich hatte Ona doch nur einen Gefallen tun wollen! Wie gern hätte ich das Fenster heruntergekurbelt und gesagt, dass ich Lebensmittel brachte und Bier! Bier ohne Ende! Ihr Party machen! Gerti gute Frau!
    Doch das wäre unser sicherer Tod gewesen.
    »Missis schnell nach Hause!«
    Ona war genauso verängstigt wie wir. Sie rief alle Heiligen an, die ihr auf die Schnelle einfielen. Einen speziellen Schutzpatron für diese Situation hatte sie nicht parat. Gestenreich dirigierte sie mich wieder aus dem Getto heraus, und erst als ich auf der Hauptstraße Gas gegeben hatte, spürte ich, dass wir mit einem blauen Auge davongekommen waren. Die Kinder waren geschockt.
    Ich setzte Ona mitsamt ihren Habseligkeiten am Straßenrand ab. Sie würde sie heute Nacht Stück für Stück

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