Gefangen in der Wildnis
nicht. Sie nahm drei lange Schlucke, bevor Cooper den Becher wegzog.
„Langsam, langsam. Da ist noch genug."
„Sie haben eine Quelle gefunden?" Sie leckte sich den letzten Tropfen von den aufgeplatzten Lippen.
Cooper verfolgte diese Bewegung genauestens. „Ja, ein kleiner Fluss, ungefähr dreihundert Meter von hier." Mit der Hand deutete er in die Richtung. „Muss wohl ein Nebenfluss des Mackenzie sein."
Sie sah auf den leblosen Tierkörper zu Coopers Füßen. „Haben Sie das Kaninchen geschossen?"
„Mit einem Steinwurf erlegt. Ich wollte keine Munition verschwenden. Ich werde es häuten und über dem Feuer rösten. Wir können dann ... Zur Hölle! Was ist jetzt?"
Sehr zu ihrem Unmut war Rusty in Tränen ausgebrochen. Schluchzen schüttelte ihren Körper. Sie schlug die Hände vors Gesicht. Selbst nach Tagen ohne Wasser strömten die Tränen.
„Hören Sie, entweder das Kaninchen oder wir", sagte Cooper gereizt. „Wir müssen essen. Sie können doch nicht..."
„Es ist nicht wegen des Kaninchens", schluchzte sie.
„Was ist es dann? Haben Sie Schmerzen?"
„Ich dachte ... Sie hätten mich zurückgelassen. Wegen meines Beins. Und vielleicht sollten Sie das auch tun. Ich halte Sie nur auf, bin nur eine Last. Allein wären Sie wahrscheinlich längst aus dieser Wildnis heraus und in Sicherheit."
Sie bekam Schluckauf und stammelte weiter: „Dabei macht mein Bein nicht einmal einen Unterschied. Ich bin eine absolute Null, wenn es darum geht, im Freien zu leben. Ich verabscheue die Wildnis, schon als Kind hielt ich nichts von den Sommercamps, ich hasste sie. Ich friere, und ich habe Angst. Und ich fühle mich schrecklich schuldig, weil ich mich darüber beschwere, dass ich noch lebe und alle anderen tot sind."
Sie löste sich endgültig in Tränen auf. Cooper stieß einen frustrierten Seufzer aus sowie mehrere deftige Flüche, dann ließ er sich vor ihr auf die Knie nieder und nahm sie tröstend in die Arme. Rusty versteifte sich spontan und wollte sich zurückziehen, doch er tat nichts weiter, als sie zu halten. Der Aussicht auf Trost konnte sie nicht widerstehen. Sie sank an seine breite Brust und verkrampfte ihre Finger in seine dicke Jagdjacke.
Frischer Kieferngeruch strömte von ihm aus, aus seinen Kleidern und seinem Haar. In Rustys angeschlagener Verfassung schien Cooper ihr übernatürlich groß und stark, so wie der Held aus den Kindermärchen. Voll unerschöpflicher Kraft. Unnachgiebig, aber gerecht und gütig. Er würde mit jedem Drachen fertig werden.
Als er seine Hand auf ihren Hinterkopf legte, schmiegte sie sich noch enger an ihn und empfand zum ersten Mal seit dem Absturz so etwas wie Sicherheit - länger noch, seit sie die Jagdhütte und ihren enttäuschten Vater verlassen hatte.
Endlich beruhigte sie sich wieder, der Gefühlsausbruch verebbte, ihre Tränen trockneten. Jetzt gab es keinen Vorwand mehr, warum Cooper sie halten sollte, deshalb machte sie sich von ihm los. Verlegen senkte sie den Kopf. Er schien sie nicht loslassen zu wollen, aber schließlich gab er sie frei.
„Alles in Ordnung?" brummte er.
„Ja, es geht wieder, danke." Sie wischte sich mit dem Handrücken die Nase, als hätte sie es ihr ganzes Leben nie anders gemacht.
„Ich sollte jetzt besser zusehen, dass dieses Karnickel aufs Feuer kommt. Legen Sie sich wieder hin und ruhen Sie sich aus."
„Ich habe genug gelegen."
„Dann schauen Sie nicht hin. Ich will, dass Sie etwas essen, und ich fürchte, das werden Sie nicht können, wenn Sie zusehen, wie ich es ausnehme."
Er nahm das tote Kaninchen und ging damit zum Rand der Lichtung. Rusty blickte wohlweislich in die entgegengesetzte Richtung. „Darüber haben wir uns gestritten", sagte sie leise.
Cooper sah über seine Schulter zurück. „Wer?"
„Mein Vater und ich. Er hatte einen Widder geschossen." Sie stieß ein humorloses Lachen aus. „Ein wunderschönes Tier. Es hat mir Leid getan, aber ich habe vorgegeben, begeistert über Vaters Jagderfolg zu sein. Vater hat einen von den Führern angeheuert, um es direkt an Ort und Stelle zu häuten. Er wollte dabei sein, darauf achten, dass der Mann das Fell nicht irgendwie beschädigte." Sie blinzelte die Tränen aus den Augen und fuhr fort. „Ich konnte nicht zusehen. Mir wurde übel. Vater ...", sie holte tief Luft. „Ich glaube, ich habe ihn schrecklich enttäuscht."
Cooper wischte sich die Hände an einem Taschentuch ab, das er mit Wasser aus der Thermoskanne befeuchtet hatte. „Weil Ihr Magen es nicht
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