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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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war klar, dass Mahmud versucht hatte, mich zu provozieren.
    Wortlos begann ich den Fußboden zu säubern. Vermutlich hatte er Ärger bei der Arbeit gehabt und ich sollte mal wieder als Ventil für seine aufgestaute Wut dienen. Doch mein Schweigen schien seinen Groll nur noch mehr anzustacheln. Kaum hatte ich die letzten Spuren seines Abendessens beseitigt, startete er die nächste Attacke.
    »Katja, dein Türkisch ist immer noch viel zu schlecht! Lernst du denn nicht täglich mit Aysegül, wie ich es dir befohlen habe?«
    Ich schaute ihm fest in die Augen
    »Doch, wir lernen immer noch täglich.«
    Verächtlich schnalzte er mit der Zunge.
    »Na, wenn du so oft lernst und es immer noch nicht richtig kannst, bist du wahrscheinlich zu dumm dafür. Ich möchte, dass du mir ab morgen jeden Abend die Vokabeln vorlegst, die du gelernt hast!«, ordnete er an.
    Er versuchte noch eine ganze Weile mich mit irgendwelchen unflätigen Bemerkungen aus der Reserve zu locken. Ohne Erfolg. Schließlich gab er auf und verließ die Wohnung, um sich mit seinen Brüdern in der Teestube zu treffen.
    Völlig erledigt ließ ich mich auf das Sofa fallen, um endlich dieses fürchterliche Zittern in den Griff zu bekommen. Aber nur zwei Minuten später wurde ich wieder aufgescheucht, weil es an der Tür klingelte: Petra.
    Sie habe nur mal kurz vorbeischauen wollen, meinte sie. Ich brachte ihr einen Tee und Kekse und wir setzten uns nebeneinander aufs Sofa.
    »Stell dir mal vor«, sagte Petra und nahm sich einen Keks, »meine neuen Nachbarn sind ein türkischer Mann und seine zwei Ehefrauen. Aber das Spannende daran ist, dass die eine auch Deutsche ist!«
    Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch.
    »Ich dachte, ich hätte zwei Männer gesehen. Aber dann war der eine wohl nur ein Umzugshelfer.«
    »Nein, nein.« Petra schüttelte den Kopf. »Der andere ist sein Bruder. Der ist auch mit eingezogen.«
    »Wie kommst du denn darauf, dass unter den Frauen eine Deutsche ist?«
    Petra schob ein paar Kekskrümel auf dem Tisch hin und her.
    »Am Nachmittag haben sich die beiden Frauen bei mir als meine neuen Nachbarinnen vorgestellt und mir Baklava geschenkt. Da habe ich sie natürlich auf einen Kaffee hereingebeten und mich ein bisschen mit ihnen unterhalten.«
    Petra machte eine bedeutungsvolle Pause und nippte an ihrem dampfenden Tee. Ich ahnte, dass die Pointe noch bevorstand.
    »Komm, erzähl schon weiter!«
    Tatsächlich fand ich es schon mehr als spannend, dass es nun eine Frau in meiner direkten Umgebung gab, die offensichtlich genauso angepasst an die türkischen Traditionen lebte wie ich.
    »Na ja, die beiden haben sich als Hülya und Erika vorgestellt … Logisch, dass ich über den deutschen Namen gestolpert bin. Also habe ich nachgefragt, und Erika hat mir erzählt, sie sei schon vor sieben Jahren zum Islam übergetreten und die Zweitfrau von Hülyas Mann Ismet geworden.«
    Als Petra den Religionswechsel ansprach, zog ich unwillkürlich die Schultern hoch. Denn dieses Thema brachte auch Mahmud seit einiger Zeit immer wieder aufs Tapet. Bisher hatte ich mich dem erfolgreich entziehen können. Aber auf Dauer würde mir das sicher nicht gelingen.
    Petra hatte den beiden Frauen natürlich auch von mir erzählt, mit dem Ergebnis, dass sie uns beide für zwei Tage später zum Tee eingeladen hatten. Ich brannte darauf, eine andere deutsche Frau in einer vergleichbaren Situation kennenzulernen – die es allerdings noch viel schlimmer getroffen haben musste als ich. Immerhin war sie nur eine Zweitfrau und musste sich ihren Mann mit einer anderen teilen.
    Ich hatte einen herrlichen Blumenstrauß für Erika und Hülya besorgt. Mahmud wusste nichts von dem geplanten Besuch; ich hatte es ihm verschwiegen, weil ich instinktiv befürchtete, er könnte etwas dagegen haben. Mir blieb also nur zu hoffen, dass er nicht ausgerechnet an dem Tag früher nach Hause kommen würde.
    Mit der gewohnten Herzlichkeit in türkischen Haushalten wurden wir empfangen. Die beiden Frauen mussten in den letzten zwei Tagen enorme Anstrengungen auf sich genommen haben, denn die kleine Wohnung war schon jetzt nahezu komplett eingerichtet und nirgends waren mehr Spuren eines gerade erst erfolgten Umzugs zu entdecken. Die Herren des Hauses waren zum Glück nicht anwesend, sodass wir Frauen unter uns waren und uns ungestört unterhalten konnten. Nachdem wir es uns in der Sitzecke gemütlich gemacht und die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht hatten, erzählte uns Erika ihre

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