Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefangene deiner Dunkelheit

Titel: Gefangene deiner Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
Vom Netzwerk:
entwickelte, den Prinzen zu stürzen ... doch später, wenn wir wütend waren, sprachen wir darüber, als wäre dieser Plan real.«
    Seit sein Bruder Rafael Kirja Malinov getötet hatte, hatte Manolito versucht, sich zu erinnern. Alle seine Brüder hatten versucht, sich zu erinnern. Anfangs hatten sie nur ruhig um ein Lagerfeuer gesessen und über die Vor- und Nachteile von Vlads Entscheidungen diskutiert. »Es gab nur eine andere Familie mit Kindern, bei denen der Altersunterschied so gering war wie bei uns: die Mali-novs. Wenn unsere Mutter ein Kind zur Welt brachte, tat die ihre es auch. Wir sind mit den Malinovs aufgewachsen. Als Kinder spielten wir zusammen, und als Männer kämpften wir zusammen. Unsere Familien standen sich sehr nahe. Wir waren anders als andere Kar-patianer. Wir alle. Vielleicht, weil wir so kurz hintereinander geboren waren. Wie gesagt, die meisten karpatianischen Kinder kom men in Abständen von mindestens fünfzig Jahren auf die Welt. Womöglich gibt es ja einen Grund dafür.«
    »Ihr wart anders ? Inwiefern ?«
    Manolito schüttelte den Kopf. »Wir waren dunkler. Schneller. Stärker. Das Töten zu lernen, fiel uns zu leicht, schon bevor wir unsere Kindheit hinter uns gelassen hatten. Wir waren rebellisch.« Er seufzte und rieb sein Kinn in MaryAnns lockigem weichem Haar, weil er jetzt das Gefühl von Nähe brauchte. »Die Brüder Malinov hatten Glück. Fünfzig Jahre nach Maxim – dem Jüngsten -bekamen sie eine entzückende kleine Schwester. Leider lebte ihre Mutter nicht mehr lange nach der Geburt, und ihr Mann folgte ihr in die nächste Welt. Wir anderen zehn wurden gewissermaßen ihre Eltern.«
    MaryAnn spürte den Kummer in ihm, den Gram, der sich im Laufe der Jahrhunderte und all den Jahren, in denen er keine Emotionen gehabt hatte, nie verringert hatte. Er war noch immer da, fraß an ihm, schnürte ihm die Brust zusammen, drehte ihm den Magen um und setzte sich in seinem Hals fest, bis er kaum noch atmen konnte. In seinem Bewusstsein sah sie ein Kind mit glänzendem schwarzem Haar, das dicht und glatt war und wie Seide bis zu einer schmalen Taille hinunterfloss. Große, smaragdgrüne Augen in einem reizenden Gesicht. Ein Mund, der gerne lachte, und ein aristokratisches Flair in jeder Linie ihres Körpers.
    »Ivory«, flüsterte Manolito ihren Namen. »Sie war ebenso sehr unsere Schwester wie die der Malinovs. Sie war ein fröhliches, glückliches Geschöpf, das alles ungeheuer schnell erfasste. Sie konnte kämpfen wie ein Krieger, aber sie wusste auch ihren Verstand zu benutzen. Es gab keinen Schüler, der sie überflügeln konnte.«
    »Was ist aus ihr geworden?« Denn das war es vermutlich, was zu der Verbitterung geführt hatte, die sie in Manolitos gemischten Gefühlen seinem Prinzen gegenüber so oft wahrgenommen hatte.
    »Sie wollte bei den Magiern in die Schule gehen. Und sie brauchte auch die nötigen Voraussetzungen mit. Sie war intelligent genug und konnte Zauber wirken, die nur wenige brechen konnten. Doch wir alle, ihre Brüder und meine Brüder, erlaubten ihr nicht, unbeglei-tet irgendwohin zu gehen. Sie war eine junge Frau und musste sich mit zehn Brüdern herumquälen, die ihr sagten, was sie zu tun und zu lassen hatte. Uns war das egal; wir wollten nur, dass sie in Sicherheit war. Und das hätte sie auch sein müssen. Sie war die Schönheit, um die wir kämpften und die wir beschützen wollten. Ihr Lachen war so ansteckend, dass selbst die Jäger, die schon lange ihre Empfindungen verloren hatten, lächeln mussten, wenn sie in der Nähe war.«
    Er drückte MaryAnns Hand so fest an sein Herz, dass sie sein Pochen unter ihrer Hand spüren konnte. »Wir verboten ihr, bei den Magiern in die Lehre zu gehen, bis wir sie begleiten und beschützen konnten. Jeder kannte unsere Wünsche und hätte sich niemals eingemischt. Aber dann, während wir bei einer Schlacht waren, trug sie ihr Anliegen dem Prinzen vor.«
    Ein Frösteln durchlief Manolito. MaryAnn fühlte es und wusste, dass sein Kummer tiefer ging, als andere es bemerkt hätten. Die Zeit hatte seine Wunden nicht geheilt. Sie fragte sich, ob der Verlust des Empfindungsvermögens in all den Jahren den Schmerz nicht sogar frisch gehalten hatte, sodass vergangene Gefühle verstärkt und umso lebendiger für die Männer waren, wenn sie wieder etwas empfinden konnten.
    »Der Prinz hatte kein Recht, unsere Autorität zu untergraben, aber er tat es. Obwohl er wusste, dass wir es Ivory verboten hatten, erlaubte er es ihr.«

Weitere Kostenlose Bücher