Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
Zärtlichkeit inne, die ihr das Gefühl gab, in die Intimsphäre dieser beiden Menschen eingedrungen zu sein. Beschämt wich sie zurück. Ihr Schuh knirschte auf dem Kies. Der Junge hob den Kopf, sodass April sein Gesicht erkennen konnte. Es war Gabriel. Mit Jessica. Die coole, hübsche Jessica aus der Buchhandlung. Dieselbe Jessica, von der Gabriel vorhin erst behauptet hatte, er habe sie »früher einmal« gekannt. Dieselbe Jessica, deren Beziehung zu ihm er als »kompliziert« beschrieben hatte.
Aber klar , dachte sie. Natürlich war sie kompliziert.
»April«, sagte Gabriel, doch April hatte bereits kehrtgemacht und lief davon, vorbei am Zelt und den Weg am See entlang. Sie musste weg. Weg von ihm, von ihnen – aber gab es dieses »sie« überhaupt? Natürlich tat es das. Die beiden hatten sie zum Narren gehalten. Die Art, wie Gabriel Jessica angesehen hatte – sie spürte, wie ihr Herz in tausend Stücke zerbarst.
»April!«
Inzwischen hatte Gabriel sie eingeholt und packte sie am Arm, doch sie riss sich los.
»Aua!«, schrie sie. »Das tut weh. Ein beschissener Vampir hat ihn mir fast abgerissen, schon vergessen?«
Gabriel ließ sie los und hob die Hände.
»Tut mir leid, Entschuldigung, ich habe nicht daran gedacht …«
»Ganz offensichtlich. Und ebenso hast du noch einige andere Dinge vergessen. Kleinigkeiten, wie die Tatsache, dass du eine Freundin hast!« April spie die letzten Worte in Jessicas Richtung, doch die Buchhändlerin war bereits verschwunden.
»Bitte, April, es ist nicht so, wie du denkst. Jessica ist nur eine gute Bekannte.«
»Eine Bekannte?«, schrie sie ungläubig. »So nennst du das also? Ich habe euch gesehen , Gabriel!«
»April, es ist nicht …«
»Nein?«, schrie sie. »Das ist es nie. Wieso erzählst du mir dann nicht einfach, was es ist? Obwohl … nein, eigentlich will ich es gar nicht hören. Ich habe genug von deinen Erklärungen. ›Es ist kompliziert‹ und ›Du würdest es nicht verstehen‹ und all dieser Kram. Ich will deine Lügen nicht mehr hören, Gabriel. Und ich will dich auch nicht mehr sehen.«
Sie fuhr herum und stapfte den Weg zurück, doch Gabriel vertrat ihr den Weg. Aus einem Impuls heraus ballte April die Faust und schlug so fest zu, wie sie nur konnte.
»Heilige Scheiße, April«, stieß Gabriel hervor und taumelte rückwärts. »Gib mir wenigstens eine Minute, um dir alles zu erklären.«
»Und was genau willst du mir erklären? ›Es liegt nicht an dir, sondern an mir.‹? Oder dass du ein bisschen Abstand brauchst? Dass du im Augenblick nicht bereit für eine Beziehung bist? Verschone mich. Du hast doch immer eine Ausrede parat, und ich habe es endgültig satt, sie mir anzuhören!«
Sie versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen, doch er wich keinen Millimeter von der Stelle.
»Geh mir aus dem Weg!«
»Nein. Erst wenn du dir angehört hast, was ich zu sagen habe«, stieß er mit wutverzerrtem Gesicht hervor.
April starrte ihn mit offenem Mund an. »Wie kannst du es wagen!«, schrie sie. »Wie kannst du es wagen, auch noch Forderungen zu stellen! Ich habe für dich gelogen, habe dich gedeckt. Ich habe mir deine albernen Geschichten angehört. Ich habe dir alles gegeben!« April wurde bewusst, dass sie weinte. Mit einer zornigen Bewegung wischte sie sich die Tränen ab. »Ich habe alles riskiert – sogar mein Leben –, nur um dich zu retten. Und was kriege ich dafür? Ein läppisches ›Es ist nicht so, wie es aussieht‹, wo ich dich gerade dabei erwischt habe, wie du eine andere Frau küsst? Wenn du mich fragst, ist es so, wie es aussieht, Gabriel. Und zwar ganz genau so. Du hast dein altes Leben zurück, und mich brauchst du nicht länger.«
Gabriel trat vor und versuchte, die Arme um sie zu legen, doch sie wich zurück. Sie geriet ins Straucheln und vertrat sich den Knöchel.
»Verdammt!«, stieß sie hervor, zerrte sich aufgebracht den Schuh vom Fuß und schleuderte ihn in seine Richtung. »Hier, bitte sehr. Hübsch auszusehen brauche ich ja jetzt nicht mehr.«
»April, du hast das völlig falsch verstanden!«
»Nein, Gabriel, das habe ich nicht«, widersprach sie. »Ich wollte nur, dass du mich genauso liebst wie ich dich, aber das war zu viel verlangt, hab ich recht? Dein blödes Schicksal und dein blöder« – sie hob frustriert die Hände – »dein blöder Krieg gegen die Vampire sind dir wichtiger, stimmt’s? Um mich geht es nicht, Gabriel«, flüsterte sie. »Um mich ging es nie.«
»Doch, das tut es, April. Du bedeutest
Weitere Kostenlose Bücher