Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
wenn er tatsächlich nur herübergekommen war, weil er sich Sorgen um mich gemacht hat? Vielleicht hatte sie ihr erster Eindruck ja doch nicht getrogen und sie hatte die beiden bei irgendetwas gestört, als sie ins Haus hereingeschlichen war. Oh Gott, vielleicht haben sie es ja gerade getan.
»Hi, April«, sagte Ben und berührte ihren Arm. »Ich wollte kurz mit dir reden. Wegen gestern Abend …«
Oh nein , dachte sie, als ihr alles wieder einfiel. Wir haben uns um ein Haar geküsst, richtig?
Ihr bereits flauer Magen rebellierte endgültig.
»Tut mir leid!« Sie presste sich die Hand vor den Mund und stürzte in die entgegengesetzte Richtung davon, vorbei an den Schülern, die sich durch die Gänge schoben, und auf die Damentoilette. Sie beugte sich über die Schüssel, doch es kam nichts.
Sie drückte die Spülung, knallte den Deckel herunter und setzte sich hin. War ihr übel, weil sie einen fürchterlichen Kater hatte? Ja, auch. Oder weil sie sich ausgemalt hatte, wie Silvia und der Falke auf dem Sofa gesessen und gefummelt hatten? Schon eher. Aber am meisten setzte ihr zu, was sie getan hatte. Ich bin die Furie, verdammt noch mal! , dachte sie zornig. Mein Kuss ist für einen Vampir tödlich! Beschämt schlug sie die Augen nieder, als sie Bens Gesicht vor sich sah. Ich hätte ihn getötet und mich dadurch höchstwahrscheinlich zur Zielscheibe der gesamten Vampirwelt gemacht! Wie konnte ich nur so blöd sein? Sie fuhr herum, riss den Deckel hoch und begann abermals zu würgen.
»April? Bist du da drin?«
Caro klopfte gegen die Toilettentür.
Oh Gott. Ein weiterer Vortrag über Verantwortungsbewusstsein war so ziemlich das Letzte, was sie jetzt brauchte.
»Ist alles in Ordnung?«
April wischte sich den Mund ab und öffnete die Tür.
»Es geht mir gut«, sagte sie und klammerte sich an die Kabinentür.
»Bist du sicher? Du siehst ziemlich mitgenommen aus.«
»Ja, ich bin sicher!«, blaffte sie.
Caro fuhr zusammen. Augenblicklich bekam April ein schlechtes Gewissen. Caro war ihre Freundin. Sie hatte sich nur ein bisschen zu sehr in diese Verschwörungsidee verstrickt. Die April in diesem Moment offen gestanden nicht die Bohne interessierte.
»Tut mir leid, Caro, aber ich habe im Moment ziemlich viel um die Ohren, okay?«, sagte sie und trat zur Tür.
»Entschuldigung«, sagte Caro. »Aber was war denn gestern los? Hast du meine SMS bekommen? Es tut mir leid, dass wir uns gestritten haben. Das war total blöd.«
»Ja, war es.«
»Ich bin froh, dass du das sagst«, fuhr Caro sichtlich erleichtert fort. »Ich habe eine Idee …«
»Oh nein.« April hob die Hände. »Ich wollte dich nicht kränken, aber was ich gesagt habe, war ernst gemeint. Ich lasse mich nicht mehr in deine blöden Verschwörungstheorien und Ermittlungen hineinziehen. Ich habe es satt.«
Caro sah sich um.
»Aber, April«, flüsterte sie. »Du steckst doch längst drin. Bis über beide Ohren. Du kannst nicht so tun …«
Aber genau das hatte April vor. Sie wollte all das vergessen, es einfach ausblenden, normal sein – so normal, wie es eben ging. Die enorme Last der Verantwortung, die Furie zu sein, und zu wissen, dass Vampire überhaupt existierten, war zu viel für sie.
»Doch, genau das kann ich, Caro«, gab April zurück. »Ich kann tun, was ich will.«
Sie wandte sich ab und ließ Caro einfach stehen.
»April, bitte. Ich wollte mich doch nur entschuldigen …«
April fuhr herum. »Entschuldigung angenommen«, sagte sie. »Aber ich habe für all das keine Zeit mehr, Caro. Ganz ehrlich, ich will es nur noch vergessen. Okay?«
Sie machte kehrt und betrat die Mensa, wo Davina und die anderen Schlangen sich wie üblich an den Tischen breitgemacht hatten.
»April!«, rief Caro, doch April winkte Chessy zu und ging einfach weiter.
»Hi, Mädels«, rief April so fröhlich, wie sie nur konnte. »Wie geht’s euch, nachdem wir gestern Abend so über die Stränge geschlagen haben?«
Alle lachten und plapperten über ihre Katerbeschwerden und ihren Heimweg. Als April sich umwandte, um sicher zu sein, dass Caro sie auch mit ihren neuen Freundinnen gesehen hatte, war sie verschwunden. April wünschte nur, sie könnte ihren Triumph darüber auskosten.
April ging die Swain’s Lane entlang und betrat den Waterlow Park. Natürlich war ihr klar, dass es nicht die schlaueste Idee war, ganz allein durch den Park zu gehen – noch dazu, wo sie ihrer Mutter versprochen hatte, auf sich aufzupassen –, aber sie fühlte sich so
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