Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
hastig.
»Und jetzt Marsch ins Bett«, fauchte sie. Ohne ein weiteres Wort sprang April auf und rannte die Treppe hinauf.
Siebenundzwanzigstes Kapitel
K urz vor acht Uhr – grob geschätzt, drei Sekunden, nachdem der Wecker losgegangen war – beschloss April, nie wieder einen Tropfen Alkohol zu trinken. Ihr Mund fühlte sich an, als hätte sich ein Hamster darin eingenistet, und bei jeder noch so kleinen Bewegung drohte ihr Schädel zu platzen. Doch all das war nichts im Vergleich zu dem Schmerz hinter ihren Augen – als würde ihr jemand einen Kebabspieß durchs Gehirn treiben.
»Und? Geht’s gut?«, trompetete Silvia und riss die Vorhänge zurück. April zuckte zusammen. Selbst das trüb-graue Morgenlicht war so grell, dass ein scharfer Schmerz durch ihren Kopf fuhr.
»Nicht besonders.«
»Wir machen dir ein paar Eier zum Frühstück, dann geht es dir bestimmt bald besser. Fünf Minuten, dann bist du unten.«
Stöhnend zog April sich die Decke über den Kopf, doch ihr war klar, dass sie keine andere Wahl hatte. Sie hievte sich aus dem Bett, ging unter die Dusche und zog sich an, sorgsam darauf bedacht, jede Erschütterung zu vermeiden.
Der Geruch von heißem Fett stieg ihr in die Nase, als sie die Treppe herunterkam. Am liebsten hätte sie sich auf der Stelle übergeben. Vorsichtig ließ sie sich auf den Barhocker sinken und sah zu, wie ihre Mutter eine Scheibe Brot aus dem Toaster nahm, sie mit Butter bestrich und Tee aufgoss – der Inbegriff mütterlicher Häuslichkeit. April konnte sich nicht erinnern, sie in der Küche jemals etwas anderes als sich einen Gin Tonic einschenken gesehen zu haben. Und auch dann noch hatte April die Limonen schneiden müssen.
»Was soll das sein? Irgendeine abartige Form von Bestrafung, oder was?«, krächzte April. »Wenn ja, funktioniert sie jedenfalls.«
Silvia stellte einen Teller voll Rührei mit Speck vor sie. »Iss«, sagte sie. »Danach wirst du dich besser fühlen. Glaub mir, ich bin Expertin in solchen Dingen.«
Mit zitternden Fingern schob April sich widerstrebend ein paar Gabeln in den Mund und spülte alles mit einem Glas frisch gepresstem Orangensaft hinunter. Einen Moment lang befürchtete sie, ihr Magen würde rebellieren, doch dann beruhigte er sich, und es gelang ihr, eine Scheibe Toast hinunterzuwürgen. Verdrossen stellte sie fest, dass Silvia recht gehabt hatte. Sie fühlte sich tatsächlich ein klein wenig besser.
»Ich gebe dir Wasser und eine Banane für die Schule mit«, sagte Silvia. »Kalium und viel Flüssigkeit wirken wahre Wunder, wenn man einen Kater hat.«
»Oh nein, muss ich wirklich in die Schule?«, stöhnte April und ließ den Kopf auf den Küchentresen sinken.
»Ja, April, du musst. Nur weil du dich wie eine verwöhnte Göre aufgeführt hast, bleibt die Welt noch lange nicht stehen.«
»Eine verwöhnte Göre?«, wiederholte April. »Ein Verrückter hat zweimal versucht, mich umzubringen – zweimal! Ich dachte, es steht mir zu, mal ein bisschen Dampf abzulassen!«
»Das tut es auch, April, aber nicht auf Kosten anderer. Du hättest mit mir oder einem deiner Lehrer darüber reden können. Einfach abzuhauen ist keine Lösung. Ich hatte schreckliche Angst, dir sei etwas zugestoßen.«
»Aber ich habe mir doch nur die Nägel machen lassen.«
»Mag ja sein, April, aber du hättest mir eine SMS schreiben müssen. Ich weiß, dass du dein Handy immer dabei hast. Als ich dich nicht erreicht habe, habe ich natürlich sofort Panik bekommen, du könntest blutend in irgendeinem Straßengraben liegen.«
»Mum, es war alles bestens.« April war nur allzu bewusst, dass sie Mist gebaut hatte.
»Gott sei Dank. Ich kann dir gar nicht sagen, welche Angst ich um dich hatte, Schatz.«
Tränen schossen ihr in die Augen.
»Es ist schon mehr als genug passiert. Erst dein Vater, dann du im Krankenhaus. Und dann dieser Irre. Wie konnte die Polizei nur zulassen, dass er zu dieser Party kommt?«
»Mum, es geht mir gut.«
April trat zu ihr und legte die Arme um sie.
»Ich würde es nicht ertragen, dich zu verlieren. Nicht dich auch noch.« Silvia holte bebend Luft. »Aber dir ist klar, warum ich so sauer war, oder?«
April nickte beschämt. Sie war selbst so wütend gewesen, hatte sich so allein, so isoliert gefühlt, dass sie es keine Sekunde länger ausgehalten hatte. Und es hatte solchen Spaß gemacht. Der Tag mit Davina und den anderen Mädchen war einer der schönsten gewesen, den sie seit ihrem Umzug nach London erlebt hatte. Aber sie war
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