Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
sie ihn kaum noch erkennen konnte.
»Bitte, April«, winselte er und hob die Hände. »Was willst du von mir? Was soll ich tun?«
»Mir sagen, wer meinen Vater getötet hat!«, schrie April.
Sheldon lachte leise. »Ich glaube nicht, dass du das wissen willst.«
»Doch, ich will es wissen!« April machte einen Satz nach vorn und packte Sheldon am Hemdkragen.
»Los, raus mit der Sprache«, zischte sie und wedelte mit ihrem blutverschmierten Finger vor seinem Gesicht herum. »Sagen Sie mir, wer meinen Vater getötet hat, sonst schicke ich Sie geradewegs in die Hölle!«
»Oh, ich werde nirgendwo hingehen, April«, erwiderte Sheldon, während er das Rasiermesser hochriss und damit auf ihren Hals zielte.
»Regent!«
Mit einem Mal schien sich der Rauch zu verdichten und wie eine Abrissbirne durch den engen Korridor auf sie zuzurasen. Sheldon wurde ihrem Griff entrissen, die Klinge verfehlte Aprils Kehle nur um wenige Zentimeter, während sie selbst nach hinten katapultiert und ins Badezimmer zurückgeschleudert wurde. Als sie aufsah, war Sheldon verschwunden, als hätte ihn die dichte Qualmwolke verschluckt. Sie hörte ein schauerliches Knacken, wie ein im Sturm zerbrechender Schiffsmast, gefolgt von einem Schrei, der abrupt verstummte.
»Gabriel?«, flüsterte sie. Es musste Gabriel sein!
Und dann stand er auf einmal vor ihr. Sie blickte in sein wunderschönes, ruß- und blutverschmiertes Gesicht und spürte seine Arme um ihren Körper, als er sie vom Boden hochhob.
»Komm«, sagte er. »Wenn wir nicht gleich von hier verschwinden, sind wir tatsächlich Grillkohle.«
»Aber was ist mit Sheldon?«, fragte sie und blickte in seine dunklen Augen.
»Er ist tot«, sagte Gabriel. »Diesmal endgültig.«
April erstarrte. »Hast du …«, begann sie. »Hast du sein Blut getrunken?«
Gabriel nickte ernst.
»Und was ist passiert?«, fragte April. »Dieselbe Verwandlung wie nach dem Drachenhauch?«
Gabriel schüttelte den Kopf und begann zu husten. »Nein.«
»Was meinst du damit?«
»Ich meine ›Nein‹!«, schrie er, während sich seine Züge vor Wut verzerrten. »Nichts ist passiert. Ich spüre rein gar nichts!«
Panik stieg in April auf. »Aber solltest du nicht geheilt sein?«
»Das ist eine Legende, schon vergessen?«
Inzwischen wurden sie beide von heftigem Husten geschüttelt. Schwarzer Ruß bedeckte die Wände.
»Komm, wir müssen hier raus«, sagte Gabriel und zog sie zur Treppe. Orange Flammen schlugen ihnen auf dem Treppenabsatz entgegen, und glühende Aschefetzen trieben durch die Luft.
»Wir müssen nach oben«, rief April und zeigte auf die schmale Treppe, die zum Dachstuhl führen musste. Sie bemerkte, dass Gabriels Schritte schwer geworden waren. Er schien Mühe zu haben, die nächste Stufe zu erklimmen.
April streckte die Hand aus, um ihn zu stützen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass seine Jacke an der Schulter vollkommen verkohlt war und sich eine böse aussehende Wunde bis zu seinem Hals hinaufzog.
»Oh Gott, Gabriel, du bist ja verletzt.«
»Schon gut«, keuchte er.
Er versuchte, sich aufzurichten, geriet jedoch ins Taumeln und sank schwer atmend auf ein Knie. »Lass mich hier«, sagte er. »Ich bin sowieso tot.«
»Kommt nicht infrage.« April packte sein Handgelenk und legte sich seinen Arm über die Schultern, um ihn zu stützen. »Komm, wir gehen weiter.«
Er geriet ins Straucheln, doch die Treppe war zu schmal, als dass sie hinunterfallen konnten. Oben angekommen, trat April die Tür auf und sank auf die Knie. Obwohl der Qualm hier spürbar dünner war, rangen beide heftig nach Atem.
»Ehrlich, April, lass mich hier«, keuchte Gabriel.
»Halt den Mund«, herrschte sie ihn an. »Das ist kein Kriegsfilm.«
Sie stand auf und tastete sich an der Wand entlang, bis sie auf eine schmale Tür stieß, doch die Flammen schlugen bereits zwischen den Dachbalken hervor.
»Verdammt«, fluchte sie und kehrte zu Gabriel zurück. »Los, Soldat, hoch mit dir. Du bist immer noch voller Benzin, und ich habe keine Lust, neben dir zu stehen, wenn du wie ein Knallfrosch hochgehst.«
Gabriel schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht, April. Geh allein.«
April verdrehte die Augen. »Wieso müsst ihr Typen eigentlich immer solche Waschlappen sein? Los, steh auf, sonst trage ich dich.«
Sie packte einen Zipfel seiner rußgeschwärzten Jacke und zerrte ihn ans andere Ende des Raums. Dann trat sie ein paar Schritte rückwärts, holte aus und rammte ihren Fuß gegen die Ziegel. Mit einem Krachen gaben
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