Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
und hielt ein flaschengrünes Kleid vor ihren Körper. »Es ist keine verdammte Party, Schatz, sondern die Gelegenheit, allen zu zeigen, wie hübsch du bist. Das Kleid wird dir fabelhaft stehen. Zieh es mal an.«
»Mum …«
»Zieh es an.«
Seufzend gehorchte April. Es war ein Wickelkleid aus weichem Jersey. Nicht zu förmlich, außerdem schmeichelte es ihrer Figur.
»Siehst du?« Silvia trat hinter April, als sie sich im Spiegel in Augenschein nahm. »Du siehst wunderschön aus.«
Und das stimmte beinahe. Kein Zweifel, das Kleid passte perfekt zu ihrer Figur, aber April war nicht in der Stimmung, es frei heraus zuzugeben. Sie wünschte, Gabriel wäre da, um sie bewundern zu können, doch dann erinnerte sie sich wieder daran, dass sie einander ja aus dem Weg gehen wollten. Außerdem wusste sie nicht mal, ob er überhaupt zu der Party kommen würde. Und wenn, würde er sie wohl kaum beachten.
»Was ist denn los?«, fragte Silvia leise. »Warum bist du seit Tagen so schlechter Stimmung?«
Weil mein Freund so tut, als würde er mich hassen, und meine Mutter Geheimnisse vor mir hat, dachte April, beschloss aber, lieber den Mund zu halten. Sie hatte wirklich kein Verlangen danach, den Zoff von gestern Abend fortzusetzen.
»Ich hasse es, wie mich alle anglotzen«, erwiderte sie. »Sie sind neugierig wegen Dad und der Sache mit Marcus. Und sie geben die Party doch gar nicht für mich, sondern für sich selbst. Und ich … Ich will nicht zurück in dieses Haus, Mum. Ich wäre dort fast umgebracht worden.« Sie schauderte. »Allein bei dem Gedanken läuft es mir kalt den Rücken herunter.«
»Ich weiß, Schatz, aber du kennst doch das alte Sprichwort: Wenn man vom Pferd fällt, muss man sofort wieder in den Sattel steigen.«
»Hier geht’s nicht ums Reiten, Mutter.«
»Natürlich nicht, aber die Osbournes waren immer nett zu dir, und es schadet nicht, wenn du dich ein bisschen höflich zeigst. Ich glaube, sie fühlen sich verantwortlich für das, was dir zugestoßen ist.«
Ja, und du willst weiter von Davinas Mum zum Cocktail eingeladen werden, dachte April, hielt aber ihre Zunge im Zaum. Schließlich hatte sie sowieso keine große Wahl. Erstens – in diesem Punkt lag Caro sicher richtig – musste sie sich bei den Schlangen einschleimen, sie glauben machen, dass sie potenzielle Rekruten waren; das war ihre einzige Chance, an Informationen über den Vampir-Regenten zu gelangen. Und zweitens musste sie das Buch finden, wenn sie Gabriels Leben retten wollte. Zugegeben, dass es sich in der Bibliothek der Osbournes befinden könnte, war nichts weiter als reine Spekulation, doch im Augenblick hatten sie keinen anderen Ansatzpunkt.
»Aber sei gegen Mitternacht wieder da. Vergiss nicht, dass du morgen Schule hast.«
April seufzte. Ihr war klar, dass ihre Mutter nur nett sein wollte, doch das Telefongespräch, das sie gestern Abend mitgehört hatte, lag ihr nach wie vor schwer im Magen. Ihre Mutter verschwieg ihr etwas, so viel stand fest.
»Und was hast du heute gemacht?«, fragte April.
Silvia zögerte einen Moment und begann dann, die herumliegenden Sachen wieder auf die Bügel zu hängen.
»Oh, nicht viel. Ich war in diesem süßen kleinen Tante-Emma-Laden in Hampstead, wo es die leckeren Oliven gibt. Anschließend habe ich mit Barbara, Davinas Mum, Kaffee getrunken und ein bisschen geplaudert, mehr nicht.«
April wurde plötzlich kalt. Hatte Davina nicht gesagt, ihre Mutter sei verreist? Aber warum sollte ihre Mutter sie anlügen? Trotzdem, die traurige Wahrheit war, dass man bei Silvia nie sicher sein konnte. Eigentlich hätte sie ein Fels in der Brandung für April sein müssen, der Mensch, dem sie hundertprozentig vertrauen konnte, doch Silvia war von Natur aus eine Heimlichtuerin. April wusste nicht einmal, wo sich ihre Mutter aufgehalten hatte, als ihr Vater ermordet worden war. Sie hatte erzählt, sie sei auf dem Rückweg von einem Besuch bei Thomas, Aprils Großvater, gewesen, doch hatte April von Anfang an Zweifel an dieser Erklärung gehabt.
»Mum, kann ich dich mal was fragen?«
»Was denn?«
»Wieso warst du bei Grandpa – an dem Tag, als Dad ermordet wurde?«
Silvia sah sie unverwandt an.
»Weil ich mit ihm reden musste. Über Familienangelegenheiten.«
»Was für Familienangelegenheiten?«
»Es ging um sein Testament.«
»Warum? Ist irgendwas nicht in Ordnung mit Grandpa? Ist er krank?«
»Nein, Schatz, ihm geht’s bestens. Aber auch er – na ja, ich weiß, es ist keine schöne
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