Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
nie, was die im Schilde führen.«
Ja, Grandpa, dachte April traurig. Du weißt gar nicht, wie recht du hast.
April wollte das Haus nicht betreten. Als sie gesagt hatte, dass sie keine Lust auf die Party hatte, war das eine blanke Untertreibung gewesen. Sie hatte eine Heidenangst davor, in das Haus der Osbournes zurückzukehren. Wieder und wieder hatte sie im Krankenhaus die Szenen von diesem grauenhaften Winterball vor ihrem inneren Auge gehabt, wie eine endlose Reihe überbelichteter Fotos, die sie nicht aus ihrem Gedächtnis löschen konnte: die Tränen in den Augen ihrer Mutter, als sie Aprils Dad eingeäschert hatten; Gabriel, wie er auf der Tanzfläche stand; die glühende Hitze, als Marcus ihr Gesicht an Bens Schreibtischlampe gedrückt hatte. Dann die Todesangst, als sie blutend über den Friedhof geflüchtet war und sich schließlich zitternd hinter einen Grabstein gekauert hatte, im festen Glauben, dass sie ihre Familie und ihre Freunde niemals wiedersehen würde. Und schließlich das wundervolle letzte Bild von Gabriel, der sich lächelnd über sie beugte, seine Lippen, die näher und näher kamen, der unvergleichliche Kuss, während der Schnee auf sie herabrieselte.
April schloss die Augen und holte tief Luft.
»April?«, fragte ihre Mutter. »Alles okay?« Gott sei Dank war ihre Mutter so nett, sie zu fahren. Es war bereits stockdunkel und die Auffahrt der Osbournes war lang und unheimlich. Sie hätte sich auf dem Weg zu Tode gefürchtet.
»Ja, schon … Es sind bloß die Erinnerungen an diesen schrecklichen Abend. Klar, ich freue mich, dass meine Freundinnen mir helfen wollen, all das zu vergessen. Aber trotzdem macht mir das alles Angst.«
Silvia nahm ihre Hand und drückte sie. »Es ist doch völlig normal, dass du nervös bist, Schatz. Aber ganz ehrlich, ich bin sicher, du wirst dich prächtig amüsieren. Und falls du dich doch unwohl fühlst, ruf mich einfach an, dann hole ich dich sofort wieder ab, okay?«
»Danke, Mum. Manchmal kannst du sogar richtig nett sein.«
»Danke für das Kompliment.« Silvia lächelte ironisch und öffnete die Tür. »Viel Spaß. Und keine Knutschereien!«
»Mum!«
»Okay, okay, ich fahre ja schon …«
Sie hatten sich im Wohnzimmer versammelt.
» HAP-PY Birth- DAY !«, riefen sie, und dann flogen Konfetti und Luftschlangen durch das Zimmer. Die Schlangen und ihre dekadenten Freunde mit den modischen halblangen Frisuren standen allesamt auf Stühlen, johlten und applaudierten. Wie peinlich! April konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zuletzt so geniert hatte.
»Tausend Dank«, stammelte sie lahm, als die Schlangen sie kreischend umringten und in die Arme schlossen.
»Du siehst echt super aus«, meinte Chessy, ausnahmsweise ohne das kleinste bisschen Ironie. Tja, da hat Mum mal wieder ins Schwarze getroffen.
Das ganze Haus war komplett auf Valentinstag getrimmt: Hunderte herzförmige Ballons schwebten an der Decke, überall standen Vasen mit roten Rosen, und die Fenster waren mit glitzernden Lichterketten dekoriert. In einer Ecke hing ein silbernes Banner mit der Aufschrift »Happy Birthday, April«, verschönert mit Glitzersternchen und weiteren Luftschlangen. Das war garantiert Caro, dachte April. Hat es bestimmt in vollen Zügen genossen, Davinas sorgfältig arrangiertes Geburtstagsdesign zu zerstören .
»Oh, danke für den tollen Empfang«, sagte April mit einem Blick auf das Glitzerbanner, als Davina zu ihr trat und ihr einen Begrüßungskuss auf die Wange hauchte.
»Bedank dich bei Caro«, gab Davina zurück. »Sie hat sich das ausgedacht. Ich habe bloß das Haus zur Verfügung gestellt. Obwohl Daddy uns notfalls bestimmt auch einen Saal im Savoy organisiert hätte.«
»Jedenfalls ist es superschön.«
»Soll ich dir einen Drink holen?«, fragte Caro mit einer Spur zu viel Begeisterung. »Wir haben Cherryade oder Cream Soda. Ich kann dir auch einen Cocktail mixen.«
»Gibt’s keinen Martini?«, fragte Ling.
»Nicht mitten in der Woche«, konterte Layla spöttisch.
April warf ihr einen erstaunten Blick zu. Sie hatte nicht erwartet, Layla auf der Party anzutreffen, vor allem nicht nach ihrer letzten Begegnung. Sie erinnerte sich genau an die nackte Angst, die sich in ihrem Blick gespiegelt hatte, doch nun schien Layla wieder ganz die Alte zu sein, genauso sarkastisch wie sonst. April beschloss, sich in einer ruhigeren Minute nach dem Grund für ihre Panik zu erkundigen.
»Ich sollte sowieso nichts trinken«, sagte sie. »Ich muss immer
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