Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
fügte sie hinzu.
»Das klingt gut«, sagte Gabriel und beugte sich vor, um ihr Ohrläppchen zu küssen. Ein leichter Schauder überlief April. Bitte, lieber Gott , dachte sie, mach, dass wir ihn möglichst schnell finden.
Sie hakte sich bei ihm unter. »Aber wie geht es dir? Ehrliche Antwort«, fragte sie, als sie den Weg zum Tor einschlugen.
»Ganz ehrlich? Sehr seltsam. Dieser Monat als Mensch, in dem ich Dinge wie Regen und Kälte und Schmerz gespürt habe … es ist fast, als hätte ich all das nur geträumt. Aber sich so verletzlich und entblößt zu fühlen, war auch gefährlich, wenngleich es durchaus seinen Reiz hatte.«
»Für mich nicht«, sagte April. »Ich hasse es.«
»Ich bin doch hier, um dich zu beschützen!«
April ließ den Blick über die dunklen Grabsteine und die Bäume schweifen.
»Glaubst du wirklich, dass du das kannst?«
»Ich werde es tun«, gab er zurück und drückte ihre Hand.
»Und wer wird mich vor dir beschützen, Gabriel Swift?« Sie hatte die Frage scherzhaft gemeint, konnte jedoch nicht abstreiten, dass ein Fünkchen aufrichtiger Furcht darin mitschwang.
»Nach dem, wie du mich auf dem Primrose Hill angesehen hast …«, fuhr sie fort. »Als wolltest du mich gleich umbringen.«
Er nickte mit ernster Miene.
»Deshalb darfst du all das hier nicht auf die leichte Schulter nehmen, April. Die Blutsauger sind Experten darin, anderen etwas vorzuspielen und sie mit ihrem Lebensstil und ihrer Freundschaft auf ihre Seite zu ziehen. Aber hinter dieser Fassade sehen sie genauso aus wie ich an diesem Morgen. Sie haben nur eines im Sinn – dir die Kehle herauszureißen.«
»Du auch?«
»Nein, nicht mehr. Ich bin anders, April. Ehrlich. Ich will niemanden mehr töten.«
»Nicht einmal den Regenten?«
»Nein. Eigentlich nicht. Na gut, ich habe immer noch die Instinkte und die Kraft eines Vampirs, aber ich setze sie nicht gern ein. Ich möchte lieber ganz normal sein, so wie du.«
»Ich? Normal? Ich könnte kaum weiter davon entfernt sein.«
Er lächelte wehmütig. »Mag sein. Ich meinte damit, dass ich gern menschlich wäre, mir über Dinge wie Abschlussprüfungen und Verabredungen und die Frage Gedanken machen würde, was ich zur nächsten Party anziehen soll. Völlig normale Dinge eben. Ich will den Regenten nicht töten, aber ich werde es tun, weil es die einzige Möglichkeit ist, jemals diesem Gefängnis zu entfliehen. Und ich will seine Pläne um jeden Preis vereiteln, wie auch immer sie aussehen mögen.«
»Was könnte das sein? Miss Holden sagt …«
»Miss Holden? Hör nicht auf diese Hexe!«
April blieb stehen und sah ihn stirnrunzelnd an.
»Hätte Miss Holden nicht geholfen, wärst du nicht mehr hier, Gabriel Swift. Deinetwegen hat sie all ihre Prinzipien über Bord geworfen und riskiert, aus ihrer seltsamen Sekte verstoßen zu werden.«
»Unsinn. Sie hat das nur für dich getan, April.«
»Kann sein, aber sie hat es getan, weil es das Richtige war. Von ihr kannst du dir eine Scheibe abschneiden. Und dasselbe gilt für diese alte Frau im Wald. Ihr müsst endlich anfangen zusammenzuhalten, sonst schaffen wir es nie, aus diesem Schlamassel wieder herauszukommen.«
Er brach in schallendes Gelächter aus.
»Du bist wirklich einzigartig, April Dunne.«
»Das möchte ich doch hoffen.«
Arm in Arm gingen sie den Pfad entlang. April registrierte eine Regung im hintersten Winkel ihres Herzens. Mit einem Mal war ihr bewusst, was es war: Gewissensbisse. Dies war der erste wirklich glückliche Moment seit dem Tod ihres Vaters.
»Du bist so still«, sagte Gabriel, der ihr Unbehagen spürte. »Was ist los?«
Sie schüttelte nur den Kopf.
»Nichts«, sagte sie. »Ich bin nur glücklich.«
»Hey, lass das aber bloß nicht zur Gewohnheit werden.«
Sie erinnerte sich noch genau an die letzte Gelegenheit, als sie sich Gabriel so nahe gefühlt hatte – damals auf dem Friedhof, an jenem Abend nach der Party bei Milo, bevor alles angefangen hatte. Sie wandte sich ihm zu.
»Erinnerst du dich an die Nacht, als wir das erste Mal hier waren?«, fragte sie. »Könnten wir zum Circle of Lebanon gehen?«
Es war so romantisch gewesen, so perfekt. Gabriel hatte sie zu einem Kreis aus Gräbern geführt, doch statt Angst zu empfinden, hatte sie ein tiefes Gefühl des Friedens in sich gespürt, als sie dort im hellen Mondschein gestanden hatte. Vielleicht weil sie Gabriel schon damals geliebt hatte. Der Gedanke ließ sie erschaudern.
»Ich habe eine bessere Idee.« Gabriel nahm ihre
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