Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
jetzt noch schafft es dieser Mann, mich zur Weißglut zu treiben.«
April sah ihre Mutter an.
»Was machen wir jetzt?«
Silvia zuckte mit den Schultern. »Feiern.«
»Feiern? Spinnst du?«
»Wieso denn nicht? Dein Vater wollte offensichtlich, dass wir versorgt sind, wenn er einmal nicht mehr bei uns ist. Und deshalb sollten wir das Geld sinnvoll nutzen.«
»Wofür? Willst du vielleicht shoppen gehen?«, fragte April sarkastisch.
»Dein Vater kannte mich besser als jeder andere Mensch auf der Welt, Schatz. Was sollte ich seiner Meinung nach mit dem Geld anstellen? Es anlegen? Für wohltätige Zwecke spenden?«
»Keine Ahnung, aber eine Party feiern … als würden wir uns darüber freuen, dass er tot ist?«
Aber viel interessanter war doch die Frage, weshalb er eine derart hohe Lebensversicherung abgeschlossen hatte. War er davon ausgegangen, dass er eines gewaltsamen Todes sterben würde? Natürlich hatte für ihn als investigativer Journalist stets die Gefahr bestanden, dass er sich mit den falschen Leuten anlegte. Aber hier schien es um viel mehr zu gehen. Andererseits hatte Mr Jones recht: Niemand rechnet damit, dass einem ein Vampir die Kehle herausreißt, oder? Das Ganze wäre vielleicht noch nachvollziehbar gewesen, wenn Dad die Versicherung eine Woche vor seinem Tod abgeschlossen hätte, aber stattdessen hatte er siebzehn Jahre lang eingezahlt. Das ergab doch keinerlei Sinn. Genauso wie so ziemlich alles andere in ihrem Leben. Unvermittelt musste sie an Gabriel und diesen grauenvollen gierigen Ausdruck in seinen Augen denken, nachdem er den Drachenhauch getrunken hatte. Sie hatte wieder und wieder bei ihm angerufen und SMS geschickt, aber sein Handy war abgeschaltet. Wo steckte er? Auf einem blutigen Beutezug? Lag er irgendwo tot im Straßengraben? Sie hatte nicht die leiseste Ahnung.
»Immerhin hat Dad vorgesorgt. Dafür sollten wir ihm dankbar sein.«
»Immerhin? Was soll das denn schon wieder heißen?«
»Gar nichts.«
»Was ist eigentlich los mit dir? Wieso musst du ständig diese giftigen Kommentare über ihn ablassen. Was soll das?«
Allmählich fiel ihr Silvias Bissigkeit auf die Nerven. War man es einem Toten nicht schuldig, erst einmal eine kleine Verschnaufpause einzulegen, nach dem Motto: Man spricht nicht schlecht von einem Toten, oder so? April war sich ziemlich sicher, dass Silvia nicht nur wütend auf ihren Vater war, sondern ihn regelrecht dafür hasste, dass er gestorben war. Als hätte er es mit Absicht getan. Und nun, nachdem sie von der Lebensversicherung erfahren hatten, waren sie ja nicht mehr in finanziellen Nöten. Was sollte dieses Theater also?
»Giftig? Ich habe doch gar nichts über deinen Vater gesagt.«
»Vielleicht solltest du genau das ja mal tun. Solltest du nicht die trauernde Witwe sein? Schlimm genug, dass du ihm zu Lebzeiten ständig die Hölle heißgemacht hast, und jetzt stellst du ihn auch noch hin, als wäre er ein schlechter Vater gewesen.«
»Es ist völlig natürlich, dass ich wütend auf deinen Vater bin. Robert sagt …«
»Robert? Wer ist Robert?«
»Mr Sheldon.«
»Du triffst dich mit Mr Sheldon?«
»Er ist ein Freund.«
»Ein Freund? Was für eine Art Freund?«
»Ich darf mir wohl selber aussuchen, mit wem ich befreundet bin, oder, April? Deine Erlaubnis brauche ich jedenfalls nicht dafür. Es gibt ein paar Dinge, über die ich reden muss, und ich kenne Robert schon eine halbe Ewigkeit.«
»Länger als Dad? Oder vielleicht erst seit er tot ist?«
»Was willst du damit sagen?«
»Was auch immer ich deiner Meinung nach damit sagen will«, schrie April. »Ist doch völlig egal, was ich denke! Du tust ja sowieso, was du – ach, vergiss es einfach!«
April fuhr angewidert herum und stapfte davon.
»April! Komm sofort zurück!«
»Nein!«, schrie April. »Ich bin alt genug, um mir selber auszusuchen, mit wem ich meine Zeit verbringen will.«
Sie stürmte die Straße entlang und schob sich durch die Menge, wobei sie etliche Passanten anrempelte, ohne auf ihre empörten Proteste zu achten. Sie musste weg von hier, weg von ihrer Mutter. Als sie um die Ecke bog, sah sie ein Taxi und winkte es heran, in der Hoffnung, dass ihr Bargeld für die Fahrt nach Highgate reichen würde.
Ich habe eine Million Pfund auf der Bank liegen , dachte sie. »Friedhof Highgate, Swain’s Lane«, sagte sie zum Taxifahrer. Da sollte eine Fahrt zum Friedhof wohl drin sein, oder?
April wartete, bis die Rückscheinwerfer des Taxis verschwunden waren, ehe sie auf
Weitere Kostenlose Bücher