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Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)

Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)

Titel: Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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die Friedhofstore zuging. Behutsam klopfte sie an die Fensterscheibe der Friedhofsverwaltung – halb in der Hoffnung, Miss Leicester sei bereits nach Hause gegangen, während sie sich zugleich wünschte, ihr missbilligendes Gesicht hinter der Scheibe auftauchen zu sehen. Es war erst halb sechs Uhr abends, aber schon stockdunkel.
    April war nicht sicher, ob sie ganz allein im Dunkeln auf dem Friedhof herumlaufen wollte. Nicht nach dem Flüstern und leisen Lachen, das sie bei ihrem letzten Besuch gehört hatte. Sie schirmte die Augen mit den Handflächen ab, um durch die vergitterten Fenster zu spähen. Nein, das Büro war eindeutig leer. Miss Leicester hatte bereits Feierabend gemacht.
    Okay. Schluss mit den faulen Ausreden , dachte sie und blickte zu den hohen Friedhofstoren hinauf. Die Architekten hatten diesen Moment offenbar bereits beim Bau kommen se-hen und die schmiedeeisernen Tore vorsorglich so perfekt in die Steinmauern eingepasst, dass niemand sie überwinden konnte. April ging um das Verwaltungsgebäude herum zu dem von einem hohen Zaun umgebenen Innenhof, der den Bestattungsfahrzeugen vorbehalten war. Offenbar hatte irgendjemand im Verlauf der Geschichte des Friedhofs von Highgate versucht, darüberzuklettern, denn die Verwaltung hatte den Zaun mit hohen Eisenspitzen versehen und sie zusätzlich mit einem recht modern wirkenden Stacheldraht umwickeln lassen.
    »Das kann ich vergessen«, sagte April und ging an der Friedhofsmauer entlang den Hügel hinauf bis zum Nördlichen Tor – jene Stelle, wo sie Gabriel Swift das erste Mal begegnet war. Wo alles angefangen hatte. Sie versuchte, nicht an diese Nacht zu denken, in der sie ihren Fuß ein Stück links von der Mauer in den Zaun gezwängt, sich hochgezogen und mit den Händen nach einem sicheren Halt getastet hatte. Damals hatte sie fürchterliche Angst gehabt und war nach Hause gelaufen – völlig verschmiert mit einer dunklen Flüssigkeit, von der sie geglaubt hatte, es handle sich um das Blut eines Fuchses. Diese Art von Zimperlichkeit konnte sie sich heute nicht mehr erlauben. Oder Naivität.
    Mit einem Ächzen zog sie sich hoch. Die Spitzen gruben sich schmerzhaft in ihre Handflächen und Oberschenkel, als sie sich über das Tor schwang. »Verdammt«, stieß sie leise hervor, als sie spürte, wie eine davon sich in ihre Haut bohrte und einen tiefen Riss in der Haut hinterließ. Solange es keine Arterie ist , dachte sie und landete unsanft in einer tiefen, laubbedeckten Schlammpfütze. Sie lief los, ohne das kleine weiße Gebäude neben dem Tor eines Blickes zu würdigen, und ließ sich von der Dunkelheit verschlucken, die sie von der Welt der Lebenden trennte. Sie wusste, dass Gabriel sie davor gewarnt hatte, nach Einbruch der Dunkelheit hierherzukommen, aber es ging nicht anders. Sie musste mit jemandem reden, sonst verlor sie noch den Verstand. Sie knipste die Taschenlampe, die sie von ihrem Ausflug in die Wälder noch dabeihatte, an und ließ den Lichtkegel über die steinernen Gesichter der Engel auf den Grabsteinen wandern. Der Weg zum Grab war ihr inzwischen so vertraut, dass sie schon wenige Minuten später vor der schwarzen Steinplatte stand, die in der Finsternis hoch über ihr aufragte.
    »Hi, Daddy«, sagte sie und ließ sich neben der Grabstätte auf den Boden sinken. »Ich komme gerade vom Anwalt. Sieht ganz so aus, als hättest du mich zu einer reichen Frau gemacht. Dafür sollte ich mich wohl bei dir bedanken.«
    In Wahrheit interessierte April das Geld nicht die Bohne. Natürlich hatte sie sich wie jeder andere Mensch schon einmal ausgemalt, was sie mit einer Million Pfund anfangen würde, aber das hier war schließlich kein Lottogewinn oder so. Es war Geld, das mit einem unfassbar hohen Preis verbunden war. Blutgeld, wenn man es so bezeichnen wollte. Und die rätselhaften Umstände machten ihren unverhofften Reichtum noch viel schlimmer. Dieser widerwärtige Typ in der Anwaltskanzlei hatte recht gehabt: Aprils Eltern waren bei ihrer Geburt arme Schlucker gewesen. April hatte wenig Ahnung von Journalismus, aber selbst sie wusste, dass damit keine Reichtümer zu verdienen waren, schon gar nicht, wenn man ganz unten anfing und sich mühsam die schreiberische Karriereleiter hinaufarbeiten musste. Wie hatte William sich also so hohe Versicherungsbeiträge leisten können? Und, was noch viel wichtiger war, wieso war die Summe so gewaltig? Hatte er damit gerechnet, dass er sterben würde? Es war alles so verwirrend.
    »Wieso hast du uns

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