Gefangene der Dunkelheit
gewiss geblendet gewesen. »Das wollt Ihr doch nicht, oder?«
»Natürlich nicht.« Sie legte eine Hand über die seine, die auf ihrem Arm ruhte. »Das Letzte, was ich wollte, wäre, dass Ihr oder einer Eurer Ritterbrüder zu Schaden kommt.« Ich empfinde keine Gnade für Euch , hallte ihre eigene Stimme tief in ihrem Kopf wider. Ich werde Euch nicht beim Sterben zusehen . Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte sie fast genau an dieser Stelle gestanden und dabei geholfen, vier der Kameraden dieses Mannes zum Tod durch das Beil zu verurteilen. Es machte sie jetzt benommen, auch nur daran zu denken. Wie hatte sie so schnell so weit kommen können?
Wie als Antwort auf ihre Gedanken öffnete sich das Fallgatter und der Baron von Callard, gefolgt von Gaston, ritt herein. Er wandte sein ansehnliches Gesicht der Sonne zu und lächelte wie aus reiner Freude, während die Hunde sein Pferd umkreisten und bellten. »Ich danke Euch, Mylady«, sagte Sir Sebastian gerade. »Ich bin mir sicher, dass Mylord Euch aufsuchen wird, sobald er wieder hervorkommt.«
»Ja«, antwortete sie, die kaum zuhörte. »Bestimmt wird er das.« Sie konnte das Schloss nicht verlassen, aber Callard konnte es. Wenn sie nicht selbst zu Sean gelangen oder bis Sonnenuntergang mit Tristan reden konnte, würde sie den Tag vielleicht mit ihm verbringen. »Ich danke Euch, Sir.« Sean vertraute diesem Mann, und er schien wirkungsvoller je einen Fuß in beiden Lagern belassen zu können als sie selbst. Vielleicht konnte er ihr nun doch helfen. Sie ging mit einem letzten Lächeln für Sir Sebastian über die Brücke zurück, um dem Baron zum Gutshaus zu folgen.
Tristan schlief friedlich auf einem der Betten, die er im Kerker hatte zusammenstellen lassen, aber Simon rang darum, wach zu bleiben, und beobachtete, wie Orlando Siobhans Schwert genau untersuchte. »Ist das ebenjene Waffe?«, fragte er.
»Sie könnte es sein«, sagte der Zauberer und verglich die kurze Klinge mit dem dicken Heft mit der uralten Zeichnung des Kelchs mit dem darunter befindlichen Kreuz aus Pfahl und Schwert. »Tristan sagte, er habe eine Art Schauder gespürt, als er sie zum ersten Mal berührte. Hier.« Er hielt sie Simon hin. »Versucht es.«
Simon umfasste das Heft vorsichtig. »Nichts«, antwortete er. »Aber ich habe auch nichts Besonderes gespürt, als ich Josephs Pfahl hochnahm.« Er untersuchte auch die Klinge. »Sie sieht alt aus.«
»Sie ist uralt«, sagte Orlando und nickte. »Dessen bin ich mir sicher. Das Metall ist weder Stahl noch Bronze, aber es ist viel zu scharf für Eisen.« Er zog eine weitere Schriftrolle zurate und schüttelte dann den Kopf. »Irgendein Römer könnte sie zur Zeit Julius Cäsars zurückgelassen haben«, sagte er. »Oder sie könnte so alt sein wie Kivar.«
»Was vermutet Ihr, wo sie sie gefunden hat?«, fragte Simon und reichte sie dem Zauberer zurück.
Orlando lächelte. »Das ist die Frage.« Er schwenkte die Waffe versuchsweise, und Simon erwiderte sein Lächeln.
»Sie passt zu Euch«, sagte er. »Sie hat Eure Größe.«
»Nicht ganz«, erwiderte der Zauberer und legte sie beiseite. Er verließ die Zelle und schritt mindestens zum zehnten Mal an diesem Morgen draußen im Gang auf und ab.
»Dies sind die Kerker, Orlando«, erklärte Simon. »Ich bezweifle, dass Ihr irgendwelche Geheimgänge finden werdet, die nach draußen führen.«
»Es ist hier«, beharrte der Zauberer. »Ich kann es spüren.« Er presste seine Hände gegen die festgedrückte Erdmauer. »DuMaines Turm ist neu, aber diese Höhlen sind uralt, so alt wie die Katakomben von Charmot. Sie müssen zu den Höhlen hinausführen, die wir im Wald gefunden haben.«
»In Charmot gibt es auch eine Höhle«, sagte Simon, und die Erinnerung an das Entsetzliche, das er dort erlitten hatte, war in seinem schlaftrunkenen Zustand wie ein Albtraum im Wachen. Lucan Kivar hatte ihn an die Mauer gekettet, während das Sonnenlicht durch eine Öffnung im Dach näher kroch. Nur das Eingreifen seiner Liebsten hatte ihn gerettet. »Vielleicht war sie auch mit den Katakomben verbunden.«
»Das ergibt Sinn«, stimmte Orlando ihm zu. »Die Alten hätten eine verborgene Fluchtmöglichkeit haben wollen.« Seine Miene verfinsterte sich, als erinnerte er sich an etwas, und Simon wollte ihn fragen, was es war. Aber als er den Mund öffnete, drang nur ein Gähnen hervor. »Ihr solltet schlafen«, sagte der Zauberer lächelnd. »Heute Abend werden wir alle viel zu tun haben.«
Siobhan fand den Baron
Weitere Kostenlose Bücher