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Gefangene der Dunkelheit

Gefangene der Dunkelheit

Titel: Gefangene der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Blue
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zuzuwenden als dem Plan, ihren Bruder zu finden, oder dessen Folgen – in Wahrheit fühlte sie sich elend, wann immer sie sich vorzustellen versuchte, was sie Sean sagen würde. Sie hatte nach dem Tod ihrer Mutter jahrelang keine Spindel mehr angerührt, hatte aber während der vergangenen Tage entdeckt, dass sie es noch immer konnte. Wenn sie den Faden drehte, konnte sie sich beinahe vorstellen, dass ihre Mutter neben ihr stand, dass ihr Leben so gewesen wäre, wie es eigentlich gedacht war, und sie die Lady wäre, die sie nun vorgab zu sein. Sie empfand es als seltsam entspannend.
    »Was kann das sein?«, beklagte sich Meister Nicholas, als von den Wachen an der Mauer Rufe erklangen. Der Abgesandte des Königs war offensichtlich noch immer vom Tod des Barons erschüttert. Er war so nervös wie eine Katze.
    »Hoffentlich nichts Schlimmes«, erwiderte Siobhan lächelnd, während sie sich erhob. »Ich werde nachsehen.«
    »Seid Ihr sicher, Mylady?«, gab Silas zu bedenken und erhob sich ebenfalls.
    »Natürlich.« Sie nickte ihnen allen anmutig zu und zwang sich, langsam zur Tür zu gehen.
    Als sie den Hof überquerte und die Treppe zur Mauer erklomm, beschleunigte sie ihren Schritt mit pochendem Herzen. Was jetzt? Diese Frage kursierte in ihrem Geist. Lieber Gott, was jetzt?
    Die in Kapuzenumhänge gehüllten Reiter warteten auf der anderen Seite des Grabens. »Sie sind gerade erst eingetroffen«, sagte Sir Sebastian, der neben ihr stand. »Seid gegrüßt!«, rief er. »Wer seid Ihr?«
    Der größere der Reiter zog seine Kapuze ab und offenbarte einen mit einem Dämonenhorn gekrönten schwarzen Helm. »Brautus von Charmot!«, antwortete er. Der zweite Reiter zog ebenfalls die Kapuze zurück – eine Frau mit auffallend rotem Haar. »Und dies ist die Herzogin von Lyan.«

18
    Meister Nicholas lief Gefahr, über seine schlaue Zunge zu stolpern, so eifrig war er bemüht, der Herzogin zu schmeicheln. »Euer Gnaden, Ihr ehrt dieses Haus«, sagte er und drängte sie zu einem Sessel. »Aber ich fürchte um Eure Sicherheit. Die Seuche, vor der die Wachen Euch und Euren Gefolgsmann an den Toren gewarnt haben, ist kein Spaß.«
    »Ich fürchte keine Seuche, Meister«, antwortete die Herzogin. Sie schaute über seine Schulter zu Siobhan und lächelte, als teilten sie ein Geheimnis. »Es heißt, sie befiele nur die Sündigen, richtig?«
    »Ja, Euer Gnaden«, stimmte er mit einem Lachen zu, das eher gezwungen klang. »So heißt es in der Tat.« Er wandte sich wieder an Siobhan. »Lord Tristan sollte hier sein, Mylady«, sagte er mit einer Spur Tadel in der Stimme. »Er darf gewiss gestört werden …«
    »Nein, Meister«, unterbrach ihn die Herzogin. »Lord Tristan und mein Ehemann gehören demselben Orden an, und ich versichere Euch, er darf nicht gestört werden.« Sie war wunderschön, das zarteste, weiblichste Wesen, das Siobhan jemals in ihrem Leben erblickt hatte. Neben diesem Traumbild war ihre eigene Verkleidung ein Witz. »Aber wenn Ihr mir meinen Diener Orlando holen würdet, wäre ich Euch äußerst verbunden.«
    »Ich, Mylady?«, fragte Meister Nicholas überrascht.
    »Ja, bitte.« Sie lächelte Siobhan erneut zu. »Ich möchte mit Lady Siobhan allein sprechen.« Sie behielt ihr anmutiges Lächeln bei, während er sich verbeugte und »Natürlich« murmelte. Aber sobald er fort war, erhob sie sich und schloss die Tür hinter ihm.
    »Geht es ihnen gut?«, fragte sie und wandte sich wieder an Siobhan. »Eurem Tristan und Simon – geht es ihnen gut?«
    »Ja«, antwortete Siobhan, noch immer verblüfft über die Veränderung. »Sie … es geht ihnen vermutlich gut.«
    »Und Kivar?«, fragte sie. »Ist er erschienen?«
    »Ich … ich glaube nicht.« Alles an dieser seltsamen Frau, angefangen von ihrem perfekt frisierten roten Haar bis zu den Spitzen ihrer edel gepunzten kleinen Stiefel, ließ Siobhan sich wie ein Maultier im Geschirr eines Zelters fühlen. Und doch war sie hier und sprach mit ihr, als wären sie schon lange Freundinnen. »Ich weiß nicht, wer das ist«, räumte sie ein.
    »Ihr wisst nicht …?« Die Herzogin sank auf einen Stuhl, als hätten ihre Beine unter ihr nachgegeben. »Aber habt Ihr nicht …? Lady Siobhan, wie seid Ihr zu den Malen an Eurer Kehle gekommen?«
    »Tristan hat mich gebissen«, gestand sie. »Ich weiß, dass er ein Vampir ist.« Sie setzte sich ebenfalls hin. »Und Euer Ehemann vermutlich auch, obwohl er es mir nie erzählt hat. Tatsächlich glaube ich nicht, dass ich überhaupt je

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