Gefangene der Dunkelheit
planst du jetzt?«
»Es ist kein Wahnsinn.« Er wandte den Blick von ihr ab. »Gaston hätte nicht vor dir darüber reden sollen.«
»Nein, das hätte er nicht. Du hättest es mir selbst sagen sollen.« Er griff nach ihrem Arm, aber sie schüttelte ihn ab. »Seit wann ist dieser eingebildete Fatzke dein Vertrauter? Zähle ich jetzt nicht mehr?«
»Siobhan, du bist alles für mich.« Er umfasste ihre Schultern und hielt sie fest, als sie sich achselzuckend befreien wollte. »Alles, was geschehen ist, ist für dich geschehen, für unsere Familie. Wie kannst du daran zweifeln?«
»Weil unsere Familie jetzt nur noch aus dir und mir besteht«, antwortete sie. »Und die Hälfte von uns weiß nicht, was von einem Moment zum nächsten geplant ist.«
Seine Augen verengten sich, während er die Stirn runzelte. »Glaubst du, ich würde dir schaden?«, fragte er und ließ sie los.
»Nein, niemals«, antwortete sie sofort. »Du würdest mich mit deinem Leben beschützen, das weiß ich.« Nun streckte sie eine Hand nach ihm aus und legte sie auf seinen Arm. »Aber ich denke, dass du mich vielleicht zu sehr beschützen willst.«
Er lächelte, und ein Teil der Anspannung wich aus seinem Gesicht. »Vielleicht hast du recht«, räumte er ein.
»Bin ich nicht deine Soldatin?«, fragte sie ihn nachdrücklich. »Habe ich nicht immer wieder bewiesen, dass ich stark bin und dass ich tun kann, was nötig ist, um unsere Sache voranzutreiben?«
»Ja«, antwortete er. »Zu oft.« Ein seltsamer Schatten schien über seine Augen zu ziehen. »Ich habe zu viel verlangt.«
»Niemals«, entgegnete sie.
»Doch.« Er berührte eine Locke ihres Haars, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, und zog sie an ihrem Kinn herab. »Ich hätte dich von hier fortbringen müssen, als du noch ein Kind warst, hätte Himmel und Hölle in Bewegung setzen müssen, um dir das Leben zu bereiten, das du verdienst.«
»Du hast mir alles gegeben, was ich wollte.« Sie nahm seine Hand und drückte sie fest. »Du hast uns beiden unsere Rache gegeben.«
»Aber zu welchem Preis?« Sie erkannte jäh, dass er Angst hatte, was eine erschreckende Erkenntnis war. Sie hatte Sean noch nie besorgt erlebt. Selbst in ihrer frühesten Zeit als Briganten im Wald, während ihnen einhundert normannische Soldaten dicht auf den Fersen waren, schien er stets absolut sicher zu sein, dass sie entkommen, dass sie irgendwie siegen würden. Aber nun wirkte er in die Enge getrieben, vielleicht sogar verzweifelt. Konnte es sein, dass er diesen Baron von Callard fürchtete? Aber warum? »Ich weiß, du hältst mich für einen Narren, weil ich dieses Schloss zu halten versuche«, sagte er.
»Nein«, versicherte sie. »Nicht für einen Narren …«
»Aber wenn wir es nicht tun, was dann?« Er blickte auf ihre Hand hinab, die seine noch immer umfasste. »Ich würde freudig an einem Galgen hängen, um den Tod unseres Vaters zu rächen und sein Volk zu befreien, selbst wenn es nur für einen Moment wäre.« Er schaute mit Tränen in den Augen wieder auf, was ein schrecklicher, herzzerreißender Schock für sie war. »Aber nicht du.« Er umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht, so wie ihr Vater es vielleicht getan hätte. »Ich kann dich nicht sterben lassen.«
»Sean, niemand wird an einem Galgen hängen«, beharrte sie. »Wir können diesen Ort verlassen und im Wald verschwinden …«
»Dafür ist es zu spät, Siobhan.« Er ließ sie los. »Wir haben den Cousin des Königs getötet, oder hast du das vergessen?«
»Nein«, antwortete sie. »Ich habe es nicht vergessen.«
»Wenn wir zu fliehen versuchten, wäre das ein Schuldeingeständnis.« Er wandte sich von ihr ab und trat wieder ans Fenster. »Wir müssen hierbleiben und an dem Plan festhalten. Wir müssen sie glauben machen, DuMaine sei bei einem Unfall gestorben und du seist wahrhaft seine Frau gewesen.«
»So machen wir es auch«, versprach sie. »Wir haben die Laken, und die Leute werden alles sagen, worum wir sie bitten …«
»Das Wort der Bauern wird die Krone nicht überzeugen«, unterbrach er sie. »Und wer weiß, was sie im kommenden Winter sagen werden, wenn Heinrich schließlich Zeit für seine Befragungen findet?«
»Sie sind unsere Leute«, protestierte sie. »Sie haben DuMaine gehasst.« Aber entsprach das der Wahrheit?, schien ihr rebellischer Geist zu flüstern. Sie hatte, seit sie auf dieses Schloss gekommen waren, niemanden sagen hören, er bedauere DuMaines Tod. Aber es hatte auch niemand gesagt, dass sie ihn
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