Gefangene der Dunkelheit
…« Sie dachte an das Schwert, das sie in jener schrecklichen Nacht gefunden und nun hinter sich versteckt hatte. »Ich habe sie gesehen«, erklärte sie ihm und erzitterte bis ins Mark ihrer Knochen. »Ich lief davon …« Sie beugte den Kopf und weinte, während er sie an sich zog.
»Schhh«, murmelte er und drückte sie an sich. Er erkannte seine eigene Stimme kaum wieder, konnte kaum glauben, dass der Mann, der sie tröstete, er selbst war. Er hatte so etwas außer bei Clare, seinem eigenen, perfekten, unschuldigen Kind noch niemals in seinem Leben getan. Siobhan war nichts davon – sie war nicht perfekt, sie war nicht unschuldig, und sie war eine erwachsene Frau, die gewiss alt und stark genug war, jede Last zu tragen. Aber sie gehörte ihm, genau wie Clare, und er konnte es nicht ertragen, ihren Schmerz mit anzusehen. »Natürlich bist du davongelaufen.« Er küsste ihr Haar. »Sonst hätten sie dich auch ermordet, oder Schlimmeres.«
»Ja«, räumte sie durch einen Schluckauf hindurch ein und krallte sich an seinem Gewand fest. Sie wollte sich nur weiterhin an ihn schmiegen und sich von ihm trösten lassen. Er war so stark, stärker als jeder andere Mann, den sie jemals gekannt hatte, und sie fühlte sich bei ihm geborgen. Er hatte sie noch einen Moment zuvor töten wollen, aber der Anblick ihrer Tränen hatte ihn erweicht – was für ein Wahnsinn war das?
»Weine nicht«, sagte er schroff, und es klang wie das Grollen eines Löwen. Er konnte sie im Geiste davonlaufen sehen, ein verängstigtes Kind, das vor den Männern um sein Leben lief, die ihre Familie niedergemetzelt und ihr Heim zerstört hatten. Es war kaum verwunderlich, dass sie alle Normannen, einschließlich ihn selbst, hasste. »Es ist vorbei«, versprach er.
Nein, dachte sie. Ist es nicht. Nicht annähernd. Aber als sie zu ihm aufblickte, konnte sie es nicht sagen. Sie wollte ihm auch den Rest erzählen – dass sie in jener Nacht einen Mann getötet hatte, ihre erste Tötung überhaupt, und dass das Gesicht des toten Mannes seitdem in jeder Nacht ihre Träume heimsuchte. Sie wollte ihm sagen, dass sie wusste, was er war, dass sie mehr Angst vor ihm hatte als jemals vor irgendetwas anderem in ihrem Leben. Sie wollte es nicht sagen, um ihn zu verletzen, sondern damit er sie tröstete, damit er versprach, dass er ihr niemals wehtun werde und dass sie keine Angst mehr haben müsse. Aber als sie seinem Blick begegnete, konnte sie die Worte nicht hervorbringen. »Tristan«, flüsterte sie todtraurig. Er verzog den Mund zu einem halben Lächeln, und sie küsste ihn, denn sie konnte nicht anders.
Er presste sie enger an sich, und im Handumdrehen flammte erneut Leidenschaft zwischen ihnen auf. Sie schlang die Arme um seinen Hals und presste ihre Brüste an seine Brust, während sie sich nach ihm ausstreckte und ihm verzweifelt noch näher sein wollte. Er hob sie hoch, und sie schlang ihre Beine um seine Hüften. »Ich sollte dich töten«, murmelte er und unterbrach den Kuss kaum einen Moment, bevor er sie erneut küsste. »Meine Liebste …«
»Mein Liebster«, echote sie und sog an seinem Mund. »Ich liebe …«
»Tristan!« Silas kam offensichtlich außer Atem herein. »Beeilt Euch … Lebuin!«
»Siobhan!«, rief Seans Stimme, während er, von anderen gefolgt, mit schweren Schritten den Gang heraufkam. »Gütiger Himmel … Owen? Owen!« Dann liefen sie los.
Tristan schob Siobhan hinter sich, hielt ihr Handgelenk fest und wandte sich gerade in dem Moment der Tür zu, als Lebuin hereinplatzte.
»Siobhan!«, rief er, aber der Name erstarb auf seinen Lippen, und sein Kinn sank entsetzt herab. Sein Gesicht wurde bleich, und seine Augen weiteten sich.
»Hat Eure Schwester Euch nicht gesagt, dass ich kommen würde?«, fragte Tristan lächelnd, und die Angst des Briganten war genau das, was er sich immer gewünscht hatte. Er hielt Siobhan noch immer am Handgelenk fest, während er mit entblößten Reißzähnen angriffsbereit voranging.
Eine Feuerklinge durchdrang seine Haut so unerwartet, dass er keuchte. Als er hinabblickte, sah er für einen Moment eine Schwertspitze aus seiner Brust ragen, bevor sie wieder zurückgezogen wurde, und ein Schmerz wie derjenige, den er bei seinem Tod empfunden hatte, schien ihn zu zerreißen. Er wandte sich entsetzt um und sah Siobhan ihr Schwert halten. Tränen strömten ihr Gesicht herab, während sie erneut zustieß und auf seine Kehle zielte, als wollte sie ihn enthaupten. Er sprang zurück und schlug die
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