Gefangene der Dunkelheit
Gepäck durchsuchte. »Ich musste ihn an den Füßen hier hereinziehen. Wäre er nicht in so schlechter Verfassung gewesen, wäre ihm das gewiss höchst unangenehm gewesen.«
»Warum konnte er nicht allein laufen?« Simon kauerte sich neben die Bettstatt. Orlando hatte Tristan das Gewand abgestreift und seine Wunden versorgt, aber sie waren noch immer verfärbt und offen. Hätte Simon es nicht besser gewusst, hätte er geschworen, er wäre tot. »Was konnte das einem Vampir antun?«
»Meines Wissens nichts«, antwortete Orlando. Er drängte Simon beiseite und begann, die Wunde in Tristans Bauch zu nähen. »Ein Pfahl hätte ihn vernichtet. Eine Wunde von einer Klinge hätte heilen sollen.«
»Aber diese Wunden tun es nicht.« Nach über zehn Jahren der Gewissheit, nicht wirklich verletzt werden zu können, empfand Simon dies als recht beunruhigend.
»Tatsächlich sind sie im Heilen begriffen«, räumte Orlando ein. »Die Wunde an seiner Kehle war weitaus schlimmer, als ich sie zunächst untersuchte – offensichtlich hat jemand versucht, ihm den Kopf abzuschlagen.«
»Jemand, der wusste, was er war?«, fragte Simon. »Jemand, der wusste, wie man einen Vampir vernichtet?«
»Ich weiß es nicht, und Tristan hat nichts gesagt«, antwortete der Zauberer. »Er war gerade noch bei Bewusstsein, als er hierher zurückkam, aber er sprach nur noch sehr wenig.« Er vollendete die Naht und lehnte sich zurück. »Wir werden ihm weitere Fragen stellen, wenn er aufwacht.«
»Wenn er aufwacht«, bemerkte Simon mürrisch.
»Verhaltet Euch nicht wie ein Ire«, schalt sein kleiner Gefährte mit schwachem Lächeln. »Er wird aufwachen. Bei Einbruch der Nacht wird er wiederhergestellt sein.« Er strich sich über seinen Bart und runzelte nachdenklich die Stirn. »Aber ich frage mich, wie er verletzt worden ist.«
»Ja«, stimmte Simon ihm mit eigenem sardonischem Lächeln zu. »Ich auch.« Er warf Orlando den Sack mit Essen zu, den er ihm mitgebracht hatte, und schloss und verriegelte dann die Tür.
»Wo wart Ihr also?«, fragte der Zauberer. »Hattet Ihr Schwierigkeiten, einen Boten zu finden?«
»Überhaupt nicht«, antwortete Simon und setzte sich mit ausgestreckten Beinen auf den Boden. »Ich fand einen reisenden Musikanten, sobald ich zur Hauptstraße gelangte. Er hatte es recht eilig, diese Gegend zu verlassen, und der Gedanke, einem Herzog und seiner Herzogin in Charmot zu dienen, passte ihm recht gut.«
»Warum hatte er es denn so eilig?«, fragte Orlando und vermutete den Kern der Sache sofort.
»Er hatte einen Tag und eine Nacht ungefähr zwei Tagesritte von hier beim Baron von Callard verbracht«, antwortete Simon. »Und anscheinend gefiel ihm der Empfang dort nicht.«
»Der Baron ist kein Musikliebhaber?«, fragte Orlando mit hochgezogener Augenbraue.
»Ich habe ihm dieselbe Frage gestellt.« Die Sonne ging auf. Er konnte spüren, wie das Bedürfnis nach Ruhe einsetzte, das stets mit dem Tageslicht bei ihm aufkam. »Er sagte, der Baron habe ihn recht gut bezahlt und ihn gebeten zu bleiben. Aber andere Angelegenheiten in seinem Hause waren zu … welches Wort gebrauchte er noch? Ungeklärt.«
Orlando öffnete den Krug mit Met, den Simon mitgebracht hatte, und schnupperte lächelnd daran. »Tatsächlich?«
»Ich versuchte ihn dazu zu bringen, mir mehr zu erzählen, aber das wollte er nicht. Also habe ich meine eigenen Untersuchungen angestellt.« Tristan murmelte im Schlaf etwas – ein gutes Zeichen, wie Simon vermutete.
»Ihr habt den Baron aufgesucht?«, fragte Orlando überrascht.
»Das brauchte ich nicht«, antwortete Simon. »Wenn die Anzahl geflohener Bauern, die mir auf der Straße begegneten, ein Hinweis sind, werden seine Ländereien verwaist sein, bevor der Monat um ist. Sie sagen, eine seltsame Seuche hätte den Baron und seinen Haushalt heimgesucht – eine Krankheit, die das Blut in den Adern eines Menschen vertrocknen lässt.«
»Und was lässt sie das glauben?«, fragte Orlando.
»Die Tatsache, dass alle, die daran sterben, ohne jegliches Blut in den Adern aufgefunden werden«, antwortete Simon. »Ich habe mit einer alten Frau gesprochen, die Köchin im Haus des Barons gewesen ist. Sie war so verängstigt, dass sie kaum ein Wort herausbrachte.«
Orlando schluckte einen großen Bissen Brot hinunter. »Aber Ihr habt sie dazu gebracht.«
Simon lächelte. »Ein wenig. Sie sagte, es sei keine Krankheit gewesen, die Callards Leute getötet hätte, sondern eine große Schlange.« Orlando hörte
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