Gefangene der Dunkelheit
Klinge beiseite, aber erst nachdem sie bereits seine Haut durchtrennt hatte, sodass Blut aus seiner Kehle drang. Er griff nach ihr und entwand ihr das Schwert, aber die Wunden, die sie geschlagen hatte, heilten nicht. Er wurde schwächer. »Nein!«, protestierte er und berührte ihre Wange, und ihre Lippen zitterten, als sie hinter sich griff und einen Holzpfahl hervorzog.
»Töte ihn!«, befahl Sean und eilte voran. Tristan wandte sich um und stieß ihn beiseite wie ein Kind. Dann sprang er mit einem an alle Übrigen gerichteten Schrei aufs Fenster zu und riss die Läden aus dem Rahmen.
»Tristan!«, schrie Siobhan und eilte in dem Moment vorwärts, als er sprang. Ihre Hände schlossen sich um leere Luft, während Silas sie von hinten packte. »Nein!« Der Vampir stürzte durch die Dunkelheit, und sein weißes Gewand wirkte geisterhaft, als es sich im Mondlicht kräuselte, bis er schließlich im Gestrüpp am Fuß der Schlucht aufschlug. »Oh, mein Gott …« Sie wandte sich um und riss sich von Silas los. Sean griff nach ihr, aber sie nahm das Schwert an sich, das noch immer rot von Tristans Blut war. »Bleib hier!« Sie drängte sich an ihm und seinen Leuten vorbei und lief zur Treppe.
»Mylady!«, rief Michael, als sie durch die Halle eilte. »Eine Nachricht …!« Aber sie hörte ihn kaum und lief hinaus.
»Tristan!« Halb glitt sie das steile, sandige Ufer hinab. Dies war der Ort ihrer ersten Tötung, der Ort, an dem sie ihr Schwert gefunden hatte. Aber sie konnte an nichts anderes denken, als Tristan zu finden. Es kümmerte sie nicht einmal, was sie tun würde, wenn sie ihn gefunden hätte, oder was er ihr höchstwahrscheinlich antun würde. »Tristan!« Einige der Dornenhecken waren niedergedrückt, und als sie unter dem Dickicht hindurchkroch, konnte sie Blut auf dem Boden spüren. Aber der Vampir war fort.
* * *
Tristan schwamm in Hundegestalt durch den Burggraben und kämpfte darum, den Kopf über Wasser zu halten. Die Knochen, die er sich bei seinem Sturz gebrochen hatte, waren sofort geheilt, aber die Wunden, die Siobhan ihm zugefügt hatte, bluteten und brannten immer noch. Er fühlte sich mit jedem Moment schwächer. Siobhan … wie hatte sie ihn jetzt verraten, sich von seinem Kuss abwenden und im nächsten Augenblick zu seiner Mörderin werden können? Der Gedanke ließ ihn sich noch schlechter fühlen, so schwach und elend, dass er kaum das Ufer erklimmen konnte, als er es schließlich erreichte. Er taumelte in den Schutz des Waldes und brach im Gebüsch zusammen. Warum heilten die Wunden nicht? Anscheinend hatte sich sogar die Hölle selbst gegen ihn gewandt.
Er verwandelte sich allein durch Willenskraft wieder in einen Menschen und zwang sich aufzustehen. Er pfiff nach Daimon und hoffte entgegen aller Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd nicht entdeckt worden oder davongelaufen wäre, nachdem er es so lange allein gelassen hatte. Kurz darauf erschien ein großer, weißer Schatten zwischen den Bäumen, und er weinte fast vor Erleichterung. »Komm«, sagte er, und Daimon trat näher und wartete geduldig, während er in den Sattel kletterte, wobei er vor Schmerzen Sterne sah. »Guter Junge«, murmelte er und tätschelte dem Pferd den Hals. Er schlang die Zügel um seine Faust, ließ sich vornübersinken und vertraute darauf, dass Daimon seinen Weg in ihren Unterschlupf zurückfinden würde.
Als Orlando Hufschläge hörte, nahm er an, Simon sei zurückgekehrt. Er verließ den Unterschlupf, um ihm eine Standpauke zu halten, die die Vögel aus ihren Nestern treiben würde. Aber das Pferd war weiß, und der Reiter schien kaum aufrecht sitzen zu können. »Tristan!« Er eilte so schnell voran, wie ihn seine Beine tragen wollten, und erreichte das Pferd in dem Moment, als es stehen blieb. »Was, um alles in der Welt …?«
Tristan hatte den Eindruck, dass es ihm allmählich besser ging. Er schien nicht mehr zu bluten. Aber der brennende Schmerz war zu Kälte geworden, als erfröre er von innen heraus. »Seid gegrüßt, Zauberer«, murmelte er und fiel bewusstlos zu Boden.
12
Simon kehrte unmittelbar vor der Dämmerung zurück und war darauf gefasst, dass Orlando auf ihn gewartet hatte und ihn dafür schelten würde. Als der Zauberer das nicht tat, wusste er, dass etwas nicht stimmte.
»Was ist mit ihm passiert?«, fragte er, als er den Unterschlupf betrat und Tristan auf dem Boden liegen sah.
»Jetzt taucht Ihr also auf«, erwiderte Orlando sarkastisch, blickte aber kaum auf, während er sein
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