Gefangene der Dunkelheit
»Nun lasst mich Euch die Umgangsformen beibringen, die zu Eurem Gewand passen.«
Als Tristan in der Dunkelheit des Unterschlupfs erwachte, fühlte er sich wieder mehr wie er selbst. Er setzte sich mühsam auf und bekämpfte die übliche Benommenheit, die er bei Tageslicht empfand. Er spürte keine wirkliche Qual, nur die Art allgemeinen Schmerz, an den er sich von den Morgen nach Schlachten als sterblicher Mensch nur allzu gut erinnerte. Er blickte auf seine Brust hinab und fand die Wunde, die Siobhan ihm zugefügt hatte, fast verheilt vor. Saubere schwarze Stiche, wie ein Wundarzt sie machen würde, verliefen kreuz und quer über der Stelle, wo die Wunde gewesen war, aber die Haut darunter war kaum vernarbt. Er berührte seine Kehle und merkte, dass auch sie verheilt war.
Simon schlief auf der anderen Seite des Raumes auf der weichen Bettstatt eines Reisenden. Tristan rieb sich seinen wunden Nacken und verzog das Gesicht. Sein Vampirbruder war weitaus besser auf das Leben eines Dämons vorbereitet als er selbst. Nicht nur reiste er mit einem Zauberer, sondern er hatte offensichtlich auch ausgezeichnete Vorkehrungen getroffen.
Wie als Antwort auf seinen Gedanken öffnete sich die Tür, sodass Tristan vor dem Licht zurückzuckte. Orlando kam herein und schloss sie rasch wieder hinter sich. »Gut«, sagte er und stellte einen Korb mit Wäsche ab. »Ihr seid wach.«
»Es scheint so.« Tristan beobachtete nachdenklich, wie sich der kleine Zauberer hinsetzte, um Strümpfe zu sortieren. »Habt Ihr mich zusammengeflickt?«
»Besser ich als Simon«, antwortete dieser. »Seid Ihr also geheilt?«
»Ich denke schon.« Er nahm den Dolch aus seinem Stiefel, durchschnitt die Fäden und zuckte zusammen, als er sie einzeln herauszog. »Ich dachte nicht, dass ich so verletzt werden könnte.«
»Ich auch nicht.« Orlando legte stirnrunzelnd die Wäsche beiseite, trat zu ihm und nahm ihm den Dolch ab. »Ich weiß mehr über Vampire, als ich Euch erzählen wollte«, sagte er und zog die Fäden sanfter und effizienter. »Aber ich habe nie von einer Waffe erzählen hören, die für so lange Zeit so viel Schaden anrichten kann. Wie ist es geschehen?«
»Siobhan«, antwortete Tristan. Er dachte mit einem schlimmeren Schmerz an das Gesicht seiner Liebsten, die ihn weinend und verzweifelt angriff, als ihm das Ziehen der Fäden verursachte. Seine Liebste … das war sie, wie er erkannte, sein wilder, verwegener Dämon von Frau, mehr als jede andere sanfte oder fügsame Frau es jemals hätte sein können. Aber sie hatte versucht, ihn zu töten. Sie hatte dabei geweint, aber sie hatte es dennoch getan.
»Eine Frau hat das getan?«, fragte Orlando und stutzte. »Wie ist das möglich?«
»Warum fragt Ihr mich?«, erwiderte Tristan. »Ihr seid derjenige, der so viel über Vampire zu wissen behauptet. Ich bin nur zufällig einer.«
Simon murmelte im Schlaf und rollte sich herum, als störten sie ihn, und der Zauberer lächelte ihm voll offensichtlicher Zuneigung zu. »Welche Art Waffe hat sie benutzt?«, fragte er leiser.
»Ein Schwert«, antwortete Tristan. Tatsächlich hätte er es vorgezogen, überhaupt nicht darüber zu sprechen, weder mit Orlando noch mit sonst jemandem, aber er hatte vermutlich keine Wahl. »Ein kleines, breites Schwert, kleiner als jedes andere, das ich bisher gesehen habe.« Er war überrascht darüber, wie deutlich er sich an die Waffe erinnerte. »Das Metall war von matt silberner Farbe, nicht glänzend wie Stahl, aber die Klinge war scharf.«
»Offensichtlich.« Der Zwerg, der konzentriert die Stirn runzelte, trat zu seinem Gepäck, durchsuchte es und förderte eine Schriftrolle zutage. Er öffnete sie, betrachtete, was dort geschrieben stand, und murmelte etwas vor sich hin, das zu leise war, als dass Tristan es hätte verstehen können.
»Sagt Eure Schriftrolle etwas von einem solchen Schwert?«, fragte der Vampir.
»Vielleicht.« Er zeigte ihm die Schriftrolle. Auf ihr war keine Schrift, sondern eine Zeichnung zu sehen. Der größte Teil der Seite wurde von einer groben Landkarte Britanniens bedeckt. Aber oben befand sich die Abbildung eines Kelchs, zweifellos der Kelch, den er und Simon suchten. Darunter war ein Kreuz zu sehen, das anscheinend aus einem hölzernen Pfahl und einem Schwert gebildet wurde, das dem von Siobhan sehr ähnlich sah.
»Ein Pfahl«, sagte Tristan, als er sich erinnerte. »Sie hatte auch einen Pfahl, den sie an ihrem Gürtel verbarg. Sie traf mich, stieß auf meine Kehle ein,
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