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Gefangene der Sehnsucht

Gefangene der Sehnsucht

Titel: Gefangene der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kris Kennedy
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das war seltsam. Denn die Menschen versammelten sich wie Kinder vor einem Puppentheater, einfach schon, um dabei zuzusehen, wie ein Müller einen Biberdamm zerstörte. Dann würden sie doch auch hier herumstehen.
    Es sei denn, sie wussten etwas. Etwas, was sie von dieser Szene fernhielt.
    »Jamie«, flüsterte Eva. »Schnell.«
    Jamie zog sein Schwert, hielt es hiebbereit, Eva im Rücken. Er wies Angus an, Wache zu stehen, dann betrat er das Haus und lauschte. So gespenstisch es auch wirkte, so still und grabesähnlich in der hellen Vormittagssonne, vermittelte der Ort dennoch nicht das Gefühl einer drohenden Gefahr oder eines bevorstehenden Angriffs.
    Jamie winkte Eva, ihm zu folgen.
    Sie ging sofort zur Treppe und eilte, nachdem sie ihm stumm ihre Absicht angezeigt hatte, die Stufen hinauf, leise wie eine Katze. Er wandte sich zum Hinterzimmer und stieß die Tür auf.
    Jacob der Doktor. Er saß am Bett von … Father Peter.
    Jamie ließ sein Schwert sinken. Jacob wandte sich langsam um, seine Schultern drehten sich mit seinem Kopf, als wäre sein Nacken über Nacht steif geworden und ließe sich nicht mehr bewegen.
    »Ich dachte mir, dass Ihr zurückkommen würdet«, war alles, was er sagte.
    »Was ist passiert?«
    Jacob schaute auf Father Peter. »Er hat nach Euch gefragt.« Er berührte Peter von London an der Schulter, während Jamie ans Bett trat. Peter schlug die Augen auf.
    Jamie kniete sich vor ihn. »Es ist lange her, alter Freund.«
    Father Peter lächelte matt. »Ah, Jamie. Du bist gekommen.«
    Jamie ergriff die blasse runzlige Hand und drückte sie leicht. »Ich wäre in dem Moment gekommen, in dem ich Euren Namen hörte, Father, aber eines müsst Ihr wissen: John hat mich geschickt, Euch zu holen.«
    Peter von London hob unter Schmerzen eine Hand und legte sie auf Jamies Arm. »Ich weiß. Ich habe dich nie dafür angeklagt, treu zu dienen, Jamie.«
    Jamie schüttelte den Kopf. »Es war nicht immer treu gedient.«
    »Jetzt ist es so, und das ist alles, was zählt.«
    »Wer hat Euch das angetan?« Jamie sah in Peters Gesicht, das die Male von Gewalt trug. Die Bettlaken waren gesprenkelt mit Blutflecken.
    »Der König.«
    Jamie zuckte zusammen. »Cig hat das getan?«
    »Eine Frau.«
    »Was?«
    Peter begegnete seinem Blick. »Sie war blond.« Chance. Oh, welch tödliche Ironie. Chance, eine Geheimagentin des Königs.
    Peter winkte mit der Hand. »Dies ist jetzt kaum der Punkt, Jamie. Die Zeit ist gekommen. Ich habe die Sachen deines Vaters für dich.« Er griff nach einer kleinen Tasche, die neben ihm lag, ein wenig größer als der übliche Beutel, den ein Reisender mit seinen Reisepapieren um den Hals trug, urkundliches freies Geleit, Karten, Empfehlungsschreiben und, wenn er ein Narr war, mit Münzen. Aber was Peter von London, alter Vertrauter und Freund seines Vaters, ihm jetzt übergab, waren die Familienerbstücke von Everoot.
    Der dicke Siegelring seines Vaters mit dem berühmten Everoot-Siegel, eine Doppelrose in Gold und Silber, in der Mitte ein funkelnder grüner Stein, wie das Auge eines Drachens. Der kleine dreifarbige Schlüssel. Ein Waffenrock mit dem Everoot-Wappen, sorgfältig zusammengelegt. Und schließlich ein kleines goldenes Medaillon und darin eine Haarlocke. Die seiner Mutter.
    Father Peter beobachtete, wie Jamie die Stücke durchsah. »Ich bitte um Verzeihung, dass es so lange gedauert hat. Ich hätte Euch diese Dinge schon vor vielen Jahren bringen sollen.«
    »Ich glaube nicht, dass ich sie früher angenommen hätte.«
    »Es gibt auch Zeichnungen, Jamie, und Niederschriften.« Peter wies mit einem Kopfnicken zu seiner Tasche. »Seht hinein.«
    Die Luft schien dünner zu werden, als Jamie hineingriff. Er nahm mehrere Pergamente heraus, zusammengerollt und mit einem Band umwickelt. Er löste das Band und strich die Pergamente glatt.
    Was ihm als Erstes in die Augen sprang, war ein Bild von ihm und seinem Vater, die mächtigen Türme der Burg Everoot im Hintergrund. Dann eine weitere Zeichnung, die Jamie als sechsjähriges Kind im Wald beim Schnitzen eines Stückes Holz zeigte.
    Ja. Er erinnerte sich an jenen Tag. Father Peter, damals ein sehr viel jüngerer Mann, hatte seinen Freund, den Earl von Everoot, besucht. Es war der Tag, an dem sein Vater ihm ein kleines Messer geschenkt hatte. Der Tag, an dem er Jamie mit in den Keller hinuntergenommen hatte, in das Gewölbe mit den Schätzen.
    Das nächste Bild zeigte das, was Jamie in den vergangenen zwanzig Jahren immer wieder vor sich

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