Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
entfuhr ein leiser Seufzer, sie glitt aus Roschkas Armen und sank zu Boden. Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
»Ich komme zu euch zurück«, rief Aeriel und ging rückwärts weiter, fort von ihnen, und Erin schrie weinend auf. Roschka kniete heftig zitternd neben ihr und drückte sie an sich. Mit der anderen Hand griff er nach Nachtwanderers Zaumzeug. Das Pferd scheute mit wild rollenden Augen.
Tränenblind drehte sich Aeriel um und folgte den Gargoyles. Katzenschwinge und Grauling liefen neben ihr her, einer an jeder Seite, Mondkalb trabte voran. Schattenlos wanderte Aeriel zwischen dem Licht des Sonnensterns und des Turms den Weg nach Terrain dahin.
14
Der kleine Magier
A ls der Sonnenstern ein Drittel seines Wegs zum Zenith emporgestiegen war, wusste Aeriel, dass sie die Grenze nach Terrain überschritten hatte. Die Felsen waren jetzt cremefarben, nicht länger grau. Hier und dort hatten Erdrutsche tiefe Narben in die brüchige Oberfläche der Abhänge gerissen.
Die Straße führte beinahe direkt nach Norden. Niemand begegnete ihr, Städte mied sie. Unter ihr, in den Tälern, wo die Luft dichter war, wuchsen Laubbäume und winterfeste Fingerhirse; weiter oben gediehen Sternenkraut und Stechginster. Sie hatte die Kapuze als Schutz gegen die Sonne ins Gesicht gezogen und wanderte zügig und stetig dahin.
Allmählich wurde sie sehr hungrig und müde. Sie fror, denn während der vergangenen halben Stunde war sie im kühlen Schatten eines Abhangs dahingewandert. Die Straße verschwand hinter einem Felsbrocken, und dort, in der wärmenden Sonne, setzte sie sich hin. Zwei ihrer Gargoyles lagen hechelnd im Schatten des Felsbrockens. Mondkalb graste weiter vorne am Straßenrand. Aeriel hatte einen Bärenhunger.
Und keine Nahrung, merkte sie, als sie ihr Bündel durchsuchte.
Sie hatte wohl die letzten Krümel des Essens, das sie aus Pirs mitgebracht hatte, während der letzten Rast verspeist. Sie beäugte die letzten beiden Aprikosen einen Augenblick, drehte sie zwischen den Fingern … Nein, sie waren nicht für sie bestimmt.
Sie steckte sie in ihr Bündel zurück, blickte die öde Straße entlang und fragte sich, welche Wurzel oder Pflanze sie dort finden mochte. Wieder, wie damals am Strand von Bern, sehnte sie sich nach Talb, dem Zwerg, und seinem kleinen Beutel voller Köstlichkeiten.
Aeriel schreckte aus ihren Gedanken auf. Eine Gestalt erschien vor der Biegung. Mondkalb scheute, aber der Reisende wanderte unbeirrt weiter, schien es nicht einmal gesehen zu haben. Die Gestalt war in eine lange schwarze Robe gekleidet, eine weite Kapuze verbarg das Gesicht. Die Ärmel fielen bis über die Fingerspitzen herab. Der Saum des Gewandes schleifte über die Erde.
Der Reisende war sehr klein, merkte Aeriel, als er näher kam, kaum halb so groß wie sie. Beinahe wäre er über den Rand des Abgrunds hinausgewandert und änderte erst im letzten Augenblick die Richtung. Das blonde Mädchen saß da und starrte ihn an. Die Gargoyles neben ihr knurrten.
Der Wanderer stolperte über den Saum seines Gewandes und fiel vornüber mitten auf die Straße. Nach einem Augenblick rappelte er sich wieder hoch, kam quer über den Pfad auf den Abhang zu und blieb mit einem gedämpften Fluch stehen.
»Hol der Teufel dieses Gewand! Ich schwöre, die Hexe soll’s haben, ich hasse es. Hoppla.«
Er war schnurstracks in den gegenüberliegenden Abhang hineingelaufen. Aeriel saß mit offenem Mund da.
»Du«, sagte sie und stand auf. »Was hast du vor? Nimm die Kapuze ab, oder du wirst zu Schaden kommen.«
Der Knirps fuhr erschrocken zusammen, wirbelte herum und tastete mit den in den Ärmeln verborgenen Händen durch die Luft.
»Was ist das? Wer ist da?«, kam eine durch das Tuch stark gedämpfte Stimme. Grauling knurrte jetzt lauter, und Katzenschwinge heulte. »Ich warne dich«, rief der kleine Mann, »ich bin ein Zauberer, und nur, wenn du auch über Zauberkräfte verfügst, kannst du es wagen, mich anzugreifen.«
Aeriel packte Grauling am Genick und schüttelte ihn besänftigend. Katzenschwinge stahl sich hinter ihr davon.
»Ich bin kein Zauberer«, antwortete sie, »und ich will dir nichts tun. Ich meinte nur, dass du selbst dir Schaden zufügen wirst, wenn du nicht auf deinen Weg achtest. Ich bin Aeriel.«
»Aeriel?«, rief der kleine Mann und zerrte und riss an seiner Kapuze. »Hast du Aeriel gesagt? In diesem Sack kann ich nicht richtig hören. Wo ist Schatten?«
Mit den Armen ruderte er umher, bis die Hände den
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