Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
Streitrösser«, sagte sie, »ist die einzige, die ich verstehe. Weißt du, was der ganze Reim bedeutet?«
Aber der Zwerg schüttelte den Kopf. »Ich verstehe kaum den ersten Teil, meine Tochter.«
Aeriels Blick verlor sich in der Ferne. Würde sie nie die Antwort auf das Rätsel finden? Konnte ihr niemand helfen, außer der Sibylle in Orm? Das Blut gefror ihr in den Adern. Ein Schauder überlief sie. Sie war bereits so müde von der Reise, und sie hatte noch nicht einmal angefangen, ihre Aufgabe zu lösen.
»Ich gehe nach Orm«, erzählte sie ihm, »um die Sibylle nach seiner Bedeutung zu befragen.«
»Ich komme mit«, erwiderte der kleine Magier, und Aeriel
wurde ein wenig leichter ums Herz. Dankbar lächelte sie ihn an. Dann sagte der Zwerg: »Aber erzähl mir, was dir auf deiner bisherigen Reise widerfahren ist und wie du es geschafft hast, hierherzukommen. «
Aeriel erzählte ihm von der Überquerung des Sandmeeres, von dem Hüter des Lichts und der Stadt der Diebe. Sie berichtete ihm von dem verpesteten Zambul, von Erin und Roschka, dem Fürsten von Pirs und den Höhlen der unterirdischen Wesen dort. Dabei zeigte sie ihm die kleine Hacke, die sie dort gefunden hatte. Talb ließ seine Finger darüber gleiten und umfasste den Stiel. Er passte genau in seine kleine Hand.
»Das ist entweder die Hacke eines Bergarbeiters oder der Hammer eines Schmiedes«, murmelte er. »Das kann ich nicht sagen.« Er steckte sie in die Tasche seines Tagmantels. »Aber etwas ist seltsam. Auf allen meinen Reisen, seit ich Avaric verlassen habe, bin ich keinem von meiner Sippe begegnet. Ihre Höhlen stehen leer, sind seit langem unbewohnt, und die einzige Antwort, die ich von jenen Erdbewohnern erhielt, die sich überhaupt noch an uns erinnern, war: ›Das Erdvolk ist fortgezogen.‹«
Mit leerem Blick starrte er in die Ferne und zupfte gedankenverloren an seinem langen grauen Bart.
»Das ist merkwürdig, sehr merkwürdig. Und es bekümmert mich.«
Schließlich erzählte Aeriel noch von den Glühwürmchen und der lodernden Fackel und dem Engel der Nacht, der ihr in die Augen gesehen hatte und schreiend geflohen war.
»Was bedeutet das?«, fragte sie ihn. Sie schüttelte den Kopf. »Ich verstehe es nicht.«
»Wirklich nicht?«, erwiderte der Magier. »Du bist eine Vernichterin der Engel der Nacht, mein Kind. Du hast der Hexe ihren letzten ›Sohn‹ gestohlen und ihn wieder zu einem Sterblichen gemacht. Du trägst sein Herz in deiner Brust. Glaubst du, ein Vampir sieht das nicht in deinen Augen?«
Talb schüttelte den Kopf.
»Die Lorelei war eine Närrin zu glauben, sie könnte dich mit Engeln der Nacht einschüchtern, und deswegen hat sie sie jetzt alle in ihren Palast zurückgerufen. Als ich die Grenzen von Elver überschritt, sah ich den Vampir dieses Landes in nordöstlicher Richtung nach Pendar fliegen. Unterwegs stieß der Ikarus von Terrain zu ihm. Zwei schwarze Flecken vor den Sternen, das gab mir zu denken.
Aber wenn sie diese beiden gemeinsam zu sich rief, dann hat sie alle anderen auch zurückbeordert. Mach dir nichts vor, sie wird uns weiterhin jagen, aber ich glaube nicht, dass sie wieder Engel der Nacht gegen dich kämpfen lassen wird.«
Aeriel schloss die Augen. Sie konnte das alles nicht verstehen. Es überstieg ihre Vorstellungskraft. »Talb«, sagte sie dann, »die Hexe jagt meine Gargoyles. Warum?«
Der kleine Mann ihr gegenüber zuckte die Schultern. »Das weiß ich nicht. Mir sind sie ein Rätsel. Woher sie kommen, und was sie sind, weiß ich nicht. Aber eines ist gewiss. Egal, wofür die Hexe sie auch haben will, es kann nichts Gutes sein. Wie gut, dass die meisten von ihnen jetzt bei dir sind und nicht bei ihr.«
»Die meisten?«, sagte Aeriel. »In Avaric hatte ich sechs Gargoyles. Bis jetzt habe ich nur drei wiedergefunden …«
Der Zwerg war aufgestanden und fegte die Krümel von seinem
Gewand. Als er gerade den kleinen Kessel wegstecken wollte, verharrte er mitten in der Bewegung. »Oh, habe ich dir das schon erzählt? Wie zerstreut ich geworden bin.« Er durchsuchte die zahlreichen Taschen seines Gewandes. »Wo hab ich’s nur hingesteckt? Ah, hier ist es.«
Aus einem Ärmel zog er einen kleinen verschnürten Beutel aus schwarzem Samt, nicht größer als seine Hand. Aeriel erkannte ihn sofort. Während ihrer Reise auf der Suche nach dem Avarclon hatte der kleine Beutel sie über Tagmonate hinweg mit der nötigen Nahrung versorgt. Verblüfft starrte sie ihn jetzt an.
»Als ich erfuhr, dass
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