Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
lügst! Falls du in der Kristallstadt warst, warst du nicht mit Aeriel zusammen. Falls du bei ihr warst und jetzt schon wieder zurück bist, gehörst du der Hexe.«
Irrylaths Brüder wanden sich kopfschüttelnd. Hadin, der Jüngste, murmelte: »Bruder, ruhig Blut …!«
Doch Irrylath ignorierte sie alle und starrte Erin fest in die Augen.
»Ich war bei Aeriel«, sagte das dunkelhäutige Mädchen leise, aber bestimmt. »In der Kristallstadt …«
»Und ist sie wohlauf?«, rief der Prinz, auf einmal war er wieder beinahe gefasst. »Dann berichte, was die Hexe aus ihr gemacht hat: eine Lorelei wie sie selbst, die Männerseelen verschlingt, oder vielleicht einen weiblichen Engel der Nacht, eine Ikarë? Sie bedarf nämlich eines Ersatzes. In ihrem Besitz sind jetzt nur noch sechs Vampire. Oder womöglich ein uraltes Weib, wie wir ihr in Orm begegneten, oder ein Geist? Ist es so? Hat sie meine Gemahlin in einen Geist verwandelt? Raus mit der Sprache!«
Aeriel stand da, mit geballten Fäusten vor der Brust, sie hatte trotz der Entfernung die Szene so lebhaft vor Augen und war doch machtlos. Sie konnte nicht eingreifen. Anstatt hilflos zuzusehen, wünschte sie fast, sie könnte die Verbindung zwischen dem dunkelhäutigen Mädchen und sich trennen: die Perle von
ihrer Stirn reißen oder Erin das Schwert aus der Hand. Doch sie wagte nicht, den Blick von Irrylath zu wenden, nicht einmal für einen winzigen Moment.
»Sie war wohlauf, als wir uns verabschiedeten, vor einem halben Tagmonat«, erwiderte Erin, äußerlich gefasst. Doch Aeriel spürte, wie heiß die Wut des dunkelhäutigen Mädchens knapp unter der Oberfläche brodelte.
»Warum hat sie dich dann nicht begleitet?« Irrylaths Schrei war nicht so wild wie zuvor, aber voller Pein und einem Zorn, der dem des Mädchens nicht nur glich, sondern ihn überflügelte. Aeriel war bestürzt.
»Sie hat sich aufgemacht, der Hexe die Stirn zu bieten«, antwortete Erin ruhig.
»Allein?« Der Prinz von Avaric schüttelte das Haupt. Ein schwaches, zitterndes Lachen entschlüpfte seinen Lippen. Seine Hand war nun in seinem Haar, verkrampft, zur Faust geballt. Er flüsterte: »Lügen.«
»Irrylath, Irrylath, beruhige dich!«, rief Aeriel.
Niemand hörte sie, doch ein Echo ihrer Worte hallte von Syllva wider. Pendarlon grollte. Roschka sprach leise und eindringlich auf Hadin neben ihm ein. Talb, der Magier, trat besorgt von einem Bein aufs andere und fuhr sich durch den Bart. Unbeeindruckt berührte Irrylath den Griff der Diamantenklinge, während Erins Hand auf dem Flammenschwert ruhte. Aeriel spürte, wie sich der Kiefer des dunkelhäutigen Mädchens verkrampfte.
»Ich bin keine Lügnerin, Prinz Irrylath.«
Erins Hand umklammerte das Schwert. Mit einem Satz stürzte
der junge Mann vor und starrte auf ihre Waffe. Aeriel hörte, wie er scharf die Luft einsog. Seine Augen glichen lodernden blauen Flammen.
»Die Gleve, die du trägst, ist von Hexenhand gefertigt«, hauchte er. »Ohne jeden Zweifel. Ihre Handschrift ist unverkennbar. «
» Aeriel gab sie mir«, keifte Erin. »Und wage ja nicht, an meinen Worten zu zweifeln, du treuloser Schurke!« Die letzten Silben spuckte sie ihm regelrecht ins Gesicht. »Es ist allein deine eigene Arglist, die an dir nagt. Die und das Wissen, dass der ganze Krieg von ihr abhängt, und du neben ihr ein Niemand bist. Du bist ihr nicht gewachsen und wirst es auch nie sein …«
Ohne Vorwarnung sprang er auf Erin zu, er legte die wenigen Schritte zwischen ihnen im Bruchteil einer Sekunde zurück. Das dunkelhäutige Mädchen riss die Augen auf. Durch Erin sah Aeriel den Schweiß auf Irrylaths Braue, die tiefen Narben auf seiner Wange, den aufwallenden Hass in seinen funkelnden blauen Augen.
»Mein Sohn, nicht!«, keuchte Königin Syllva.
In der Hand des Prinzen flammte die Diamantenklinge auf: das Schwert war von einem strahlend weißen Glanz umgeben, seine Schneide so scharf, es konnte alles durchtrennen. Pendarlon machte eiligst einen Satz. Hinter ihm riefen Roschka und die Brüder des Prinzen, stürzten hastig vor, um ihm Einhalt zu gebieten. Die Wachen im Eingangsbereich waren sogar noch näher, doch sie kamen alle zu spät. Das Schwert senkte sich bereits. Mit dem nächsten Herzschlag wäre alles vorbei. Durch die Augen des dunkelhäutigen Mädchens schien es Aeriel fast, als sause
Irrylaths Klinge auf sie selbst herab. Rasend vor Wut weigerte sich die dunkelhäutige Inselbewohnerin, zurückzuweichen.
»Erin!«, schrie Aeriel und riss
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