Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
bereiten. Aeriel hob den Blick in Richtung des weit entfernten, nicht sichtbaren Toten Sees der Hexe. Das weiche weiße Schimmern der Perle legte sich über ihre Augen.
»Also bist du alleine auf die Suche nach mir aufgebrochen.«
»Hätte Ravennas Reiher mich nicht vor einem Tagmonat gefunden, wäre ich immer noch ziellos umhergeirrt«, erwiderte Erin, nun ruhiger. »Was hast du nach deiner Rückkehr mit Irrylath vor?«
Seufzend schüttelte Aeriel den Kopf. Der Wüstenwind war kühl und voller feiner Sandpartikel, die gegen ihren Knöchel rieben. Der Reiher erhob sich in die Lüfte, um seine Flügel auszuprobieren und schwebte dann einen Moment, bevor er sich wieder niederließ.
»Ich werde nicht mit dir zurückkehren, Erin.«
Das dunkelhäutige Mädchen drehte sich langsam um und starrte sie an. Abrupt rückte es von der Glaskuppel ab und blieb wenige Schritte vor Aeriel stehen. »Was soll das bedeuten?«, wollte sie wissen. »Du musst an der Spitze der Armee reiten, die sich in deinem Namen versammelte! Ich bin diesen langen Weg nicht gereist, um nun damit abgespeist zu werden, dass du nicht mit mir zurückkommst.«
Vorsichtig löste Aeriel das Schwert von ihrer Hüfte. »Ravenna hat mir eine andere Aufgabe übertragen. Ich soll die Hexe treffen, aber nicht in der Schlacht. Ich muss ihr von Angesicht zu Angesicht entgegentreten.«
»Bist du wahnsinnig?«, schrie Erin und packte sie am Arm.
»Überbring die Kunde«, bat Aeriel, »dass unsere Verbündeten, die Zwerge unter der Erde, gegen die Hexe aufmarschieren. Lass die anderen wissen, dass ich mit der Alten Ravenna gesprochen habe.«
»Nein!«, rief Erin. »Das werde ich nicht machen. Ich lasse dich nicht im Stich.« Sie umfasste den Arm des blassen Mädchens. »Wenn du der Hexe wehrlos trotzen willst, werde ich nicht von deiner Seite weichen.«
Aeriel schüttelte den Kopf und hielt das Schwert hoch. Allmählich offenbarte sich ihr ein kleiner Teil des Alten Reimes. Die Gleve brannte und flüsterte in ihrer Scheide. »Jemand muss sich an meiner statt in die Schlacht stürzen«, sagte sie leise. »Wem außer dir kann ich vertrauen?«
Erin sah das Schwert an, dann wieder Aeriel. Die wartete geduldig. Dann, nach langem Zögern, nahm Erin die Waffe. »Oh«, rief sie überrascht, umklammerte den Schwertknauf und das Futteral. »Oh, was ist das? Sie fühlt sich lebendig an.«
Aeriel blieb ihr eine Antwort schuldig, denn im Grunde wusste sie nichts über die Macht des Schwertes. Früher war es die Nadel der Hexe gewesen. In welches Wunderding Ravenna sie verwandelt hatte, konnte Aeriel nicht sagen. Mit gebannter Aufmerksamkeit gürtete das dunkelhäutige Mädchen die Waffe. Das Schwert hing an ihrer Hüfte und flimmerte in dem Futteral.
Während Erin die nun schmucklose Scheide anhob, um die Maserung im silbrig schimmernden Holz zu mustern und mit einem Finger über die weichen Rundungen zu streichen, überkam Aeriel ein merkwürdiges Gefühl, als berührte etwas sie sanft. Zitternd runzelte sie die Stirn und strich sich über die Arme. Als Erin behutsam versuchte, die Klinge zu ziehen, ließ sie sich nicht bewegen.
»Nur mit der Ruhe«, murmelte Aeriel, und erst beim Sprechen erkannte sie, dass die folgenden Worte der Wahrheit entsprachen. »Jetzt ist die Zeit noch nicht gekommen, doch in der Not wirst du die Gleve führen können.« Die Perle flüsterte ihr diese Erkenntnis zu, das wusste Aeriel nun – und wunderte sich eigentümlicherweise kaum darüber. Sie ließ den Blick über die trockene Dünenlandschaft schweifen, bevor sie sich wieder an Erin wandte. »Lebe wohl!«
»Warte …«, begann das dunkelhäutige Mädchen, sie rang nach Worten und wollte ihre Freundin nur widerwillig ziehen lassen. »Hast du keinen Reiseproviant, kein Wasser?«
Zum ersten Mal bemerkte Aeriel den kleinen Beutel mit Nahrung und den Wasserschlauch, den die andere geschultert hatte. Sie schüttelte den Kopf. Sie verspürte weder Hunger noch Durst.
»Die Perle nährt mich«, antwortete sie, war plötzlich davon überzeugt, keinerlei Verpflegung zu brauchen, solange sie Ravennas Juwel auf der Stirn trug. Als Erin sie umarmte, zog Aeriel den Hochzeitssari aus ihrem Gewand und reichte ihn ihr. »Gib das hier Irrylath«, sagte sie, »er soll eine Fahne daraus fertigen. Und richte meinem Gemahl aus, er findet mich am See der Hexe.«
Vorsichtig barg das dunkelhäutige Mädchen die gefaltete gelbe Seide in ihrem Überwurf. Aeriel ging einen Schritt zurück. Hinter ihnen
Weitere Kostenlose Bücher