Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
der Schlammbeißer sie zurückrief: »Warte!«
Sie drehte sich um, blieb jedoch wie angewurzelt stehen. Jetzt konnte sie im Wasser die Vorderläufe des riesigen Geschöpfes ausmachen. Sie schienen sonderbar klein für seinen mächtigen Körper. Es kaute an den Nägeln.
»Du bist eine Zauberin«, überlegte es laut. »Warum setzt du deine Magie nicht ein, um den See zu überqueren?«
Weil ich über keinerlei Magie verfüge! , wollte Aeriel schreien, doch sie biss sich auf die Zunge.
»Bring mich hinüber oder nicht, ganz wie du willst«, sagte sie schließlich. Ihre Geduld war erschöpft.
Seufzend leckte der Schlammbeißer vom giftigen schwarzen Wasser. »Meine Herrin wäre nicht dankbar, brächte ich ihr den Fluch ins Haus.«
»Wie du willst«, fauchte Aeriel und wirbelte erneut herum. »Auch wenn du den Zorn deiner Herrin auf dich ziehen wirst, sobald sie entdeckt, dass du die Botin ihrer Mutter abgewiesen hast.« Sie zählte die Schritte. Eins. Zwei.
»Na schön!«, rief ihr das Geschöpf nach. »Du hast gewonnen. Ich bringe dich zur Feste meiner Herrin – nur für den Fall, dass deine Worte der Wahrheit entsprechen –, doch ich kann nicht versichern, dass sie dir Einlass gewährt. Komm her«, sagte es und erhob sich unter der schattenhaften Oberfläche des Toten Sees.
Aeriel fuhr angewidert zusammen. »Ich will das Wasser nicht berühren.«
Die Kröte lachte, ein tiefes gurgelndes Geräusch wie ein Hammerschlag
auf heißem Metall. Sie stemmte sich aus dem schwarzen, unnatürlich ruhigen Gewässer und zog sich ans Ufer. Die dunklen Wassertropfen schienen an ihrer Haut nicht abzuperlen, sondern wie ein Dunstschleier zu verdampfen. Aeriel kämpfte ihren Ekel nieder, kletterte am Schlammbeißer hoch und ließ sich genau hinter seinem mächtigen Kopf nieder, unsicher, wie viel seines Körpers wieder unter den Toten See hinabsinken würde. Seine schuppige Haut, mit großen glitschigen Warzen übersät, fühlte sich kalt an und war mit einem öligen Film überzogen.
»Eine Ewigkeit ist seit meinem letzten Mahl vergangen«, bemerkte der Schlammbeißer, während er gierig die kleinen Tiere vor ihr am Ufer beäugte.
Mit einer solch blitzschnellen Bewegung, der Aeriel kaum mit den Augen folgen konnte, riss er das riesige Maul auf. Seine lange Zunge schnellte hervor und schaufelte ein Dutzend wild wuselnder Insekten auf – zusammen mit einer Unmenge des Ufers. Die Kiefer des Schlammbeißers schnappten zu. Er lachte beim Kauen, seine aufgeblähten Wangen hoben und senkten sich. Angewidert hielt sich Aeriel fester an ihrem Tragtier fest, das sich schwerfällig umdrehte und zurück in den Toten See glitt.
»Dumme Dinger«, krächzte der Schlammbeißer.
Das schwarze Wasser kräuselte sich um seine Schnauze und schoss an seinen Flanken vorbei. Hastig zog Aeriel die Beine an, um ja nicht mit dem Toten See in Berührung zu kommen. Der Schlammbeißer schaukelte auf und ab, und Aeriel schluckte. Flüchtig erhaschte sie Blicke auf andere Kreaturen im See, auch wenn keine von ihnen den Kopf über der spiegelglatten Oberfläche
zeigte. Einmal schwammen sie über ein Geschöpf hinweg, so lang und riesig, dass Aeriel erschrocken aufkeuchte.
»Das ist bloß ein Seemoloch«, erklärte die Kröte, »ein Wasserdrache meiner Herrin. Sie besitzt zwei: Die beiden sind groß genug, um ganze Schiffe zu verschlingen. Falls du in den See fällst, kleine Botin, machen sie kurzen Prozess mit dir.«
Entsetzen stieg in Aeriel auf, als ihr jäh der Gedanke kam, der verräterische Schlammbeißer könne sich aufbäumen und sie rein um des Vergnügens willen in den tödlichen See werfen. Sie klammerte sich fester am breiten Rücken der Kröte fest.
»Bring mich sicher zum Palast«, warnte sie, »oder du wirst dich vor deiner Herrin verantworten müssen. Ich bin im Besitz von Ravennas Geschenken, die wertvoller als mein Leben sind.«
Der Schlammbeißer lachte nur. Aeriel spürte sein belustigtes Zittern – selbst ohne die Drachen stand sie Todesängste aus, und das nicht nur wegen des verzauberten Gewässers, sondern wegen jeglichen Gewässers. Sie konnte nicht schwimmen und klammerte sich mit aller Gewalt an der Kröte fest. Gleichmäßig schwamm diese weiter. Der mächtige Palast rückte näher, erhob sich bedrohlich aus dem Toten See. Die aufragenden Türme, dachte Aeriel ehrfürchtig, waren nur die winzige Spitze einer gewaltigen Feste. Der Rest lag verborgen unter Wasser. Erneut dröhnte das grollende Lachen des
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