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Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)

Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)

Titel: Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. A. Pierce
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sich, den langen Gang hinabzuschreiten. Zu beiden Seiten waren menschliche Gestalten in die Wände eingelassen. Keine der Figuren rührte sich. Starr wie Stein, gefangen in dem unbeschreiblich kalten Kristall. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Gliedmaßen und Gesichter vor Entsetzen, Ekel und Verzweiflung verzerrt. Und dennoch, so offenbarte die Perle, waren die Gestalten am Leben. Waren es überhaupt Menschen aus Fleisch und Blut oder Seelen – von der Hexe und ihren Engeln der Nacht geraubt, jedoch noch nicht verschlungen? Fassungslos lief Aeriel weiter.
    Der Korridor endete in einem offenen Torbogen. Dahinter fiel das gleißende Licht des Sonnensterns in eine Kammer. Aeriel entdeckte ein Fenster, ohne Läden, unverglast. Der Wind, der von der Einöde in das hoch gelegene Zimmer blies, war steif, die frische Luft dünn. Nach Luft schnappend blieb Aeriel in dem tänzelnden Sonnenschein stehen. Die Wärme auf ihrer Haut war berauschend. Aeriel labte sich an ihr. Bestürzt
stellte sie fest, wie viel Zeit bereits vergangen war: Der Sonnenstern hing tief. Sie hatte die Feste der Hexe vor der Morgendämmerung betreten.
    »Da bist du ja«, sagte eine kalte, klare Stimme. Sie klirrte wie Kristall, wie das Tönen einer Glocke. Wie die Stimme eines Engels der Nacht: klangvoll, verlockend, rein. »Endlich. Es ist wahrlich nicht immer leicht, sich in meinem Palast zurechtzufinden, in Winterasche.«
    Winterasche . Aeriel wusste nicht, ob das Wort den Palast selbst bezeichnete oder den eisigen Stein, aus dem es gehauen war. Die andere lachte, tief und träge.
    »Doch ich habe nie den Zweifel gehegt, dass du mich finden würdest, kleine Zauberin.«

11
Das Herz aus Staub
    D ie Eiseskälte, die durch Aeriel peitschte, während sie dieser Stimme lauschte, löschte die Wärme des Sonnensterns aus. In ihren Augenwinkeln erkannte sie die Weiße Hexe, die in der Nähe des Fensterrahmens stand: ihr Aussichtspunkt, von dem aus sie die bevorstehende Schlacht verfolgen wollte, schätzte Aeriel. Von der anderen Seite des kleinen Gemachs taxierte Oriencor sie kühl. Sie war hochgewachsen, beinahe so groß wie Ravenna, doch während die Dunkle Herrin eine Aura von Düsternis und Schwärze und Indigo umhüllt hatte, war ihre Tochter, die Weiße Hexe, von lichter Farbe.
    Ihre Haut war so blass wie Irrylaths, so wie Aeriel ihn als Engel der Nacht kannte: schneeweiß, ohne einen Hauch von Rosa auf den Wangen oder Lippen. Ihr kühler Odem ließ keine Atemwolke aufsteigen. Ihre Gesichtszüge, scharf und kantig, von eisiger Schönheit, glichen denen einer erbarmungslosen Statue. Nur ihre Augen leuchteten hellgrün. Die Augen einer Zauberin. Das Haar der Hexe war lang und weiß, glatter als Ravennas. Farblose Strähnen. Das Haar der Vampire.
    Ihre geschwungenen Lippen waren dünn, an den Mundwinkeln
zu einem gehässigen Lächeln verzogen. Sie trug ein langes weißes Gewand, das sich eng an ihren Körper schmiegte und mit kleinem Zierrat geschmückt war: Hundezähne, geschliffene Diamanten und Süßwasserperlen – verbogen und missgestaltet, nicht rund. Katzenklauen und Knochenknöpfe. Die Füße der Lorelei waren verborgen. Ihr Kleid wallte über den Boden. Ihre weißen Nägel waren sehr lang und gefährlich. In ihrer Gegenwart fühlte sich Aeriel töricht, unbeholfen, schwach, so als könnte die andere mit einem flüchtigen Blick bis tief in ihr Herz spähen.
    Zitternd antwortete sie: »Ich bin keine Zauberin.«
    Die Weiße Hexe lächelte. Ihre Zähne waren spitz, scharf wie kleine Messer.
    »Womöglich nicht«, sagte sie und kam näher. Die Kälte strömte aus ihr heraus wie von einem schattigen hohen Gebirgspass. »Aber du hast mir das Leben erschwert. Und kürzlich warst du bei meiner Mutter in NuRavenna zu Besuch. Erzähl, ist sie wohlauf?«
    »Sie ist tot«, sagte Aeriel mit bebender Stimme, weigerte sich jedoch, zurückzuweichen.
    Sie erinnerte sich lebhaft an den letzten Atemzug der Gottgleichen und den dunkelhäutigen Mann, der sein Gesicht untröstlich in ihr Haar drückte. Ravennas hellhäutige Tochter lachte, vollkommen beherrscht, ein glockenreines, spöttisches Lachen.
    »Du bist so ernst«, seufzte sie. »Ich sollte nicht mit dir spielen. Ich weiß um ihren Tod. Ich sah das Leuchtfeuer ihrer Beisetzung. «

    Aeriel starrte sie an. Die Kälte, mit der die andere sprach, überraschte sie. Oriencor hob eine fein geschwungene, weiche Augenbraue.
    »Schockiere ich dich, kleine Aeriel, da ich über den Tod meiner Mutter

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