Gefangene des Feuers
kurz geschnittene Bart stand ihm sehr gut. Verstohlen sah sie ihn während der kurzen Zeremonie immer wieder voller Bewunderung an. Sie wünschte, ihr Vater würde noch leben, um dabei sein zu können. Und sie wünschte auch, Rafe würde nicht wegen Mordes gesucht. Und trotzdem war sie glücklich. Sie dachte daran, wie entsetzt sie gewesen war, als Rafe sie aus Silver Mesa entführt hatte. Wie viel hatte sich doch geändert in den paar Monaten!
Dann war es vorbei. Der Pfarrer und seine Frau strahlten sie an, Atwater wischte sich heimlich über die Augen, und Rafe nahm ihr Gesicht in die Hände, um ihr einen liebevollen und zugleich leidenschaftlichen Kuss zu geben. Jetzt war sie eine verheiratete Frau. Wie bemerkenswert einfach das doch gewesen war!
Zwei Wochen später trugen sie sich in einem Hotel unter falschem Namen ein. Rafe sorgte dafür, dass Annie sich gleich ins Bett legte, und machte sich dann umgehend auf die Suche nach Atwater. Die letzten beiden Wochen, seit sie verheiratet waren, hatte sie zunehmend an Kraft eingebüßt und morgendliche Übelkeit machte ihr zu schaffen. Inzwischen beschränkte sich die Übelkeit nicht nur auf den Morgen, was auch bedeutete, dass sie nur noch wenig Essen bei sich behielt. Nicht einmal das gemahlene Ingwerpulver konnte ihren Magen beruhigen.
„Den Rest des Weges werden wir wohl mit dem Zug machen müssen“, erklärte er Atwater. „So weit kann sie nicht mehr reiten.“
„Ich weiß. Ich habe mir auch schon Sorgen um sie gemacht. Sie ist Ärztin, was sagt sie denn dazu?“
„Sie sagt, dass sie nie wieder eine werdende Mutter damit beruhigen wird, dass die Übelkeit einfach zu einer Schwangerschaft dazugehört.“ Annie hatte es trotz allem noch mit Humor genommen, Rafe jedoch nicht. Denn sie wurde von Tag zu Tag dünner.
Atwater kratzte sich am Kopf. „Sie könnten sie auch hierlassen, und wir beide reiten nach New Orleans.“
„Nein!“ Das war undenkbar für Rafe. „Sollte irgendjemand herausfinden, dass ich verheiratet bin, wird er Nachforschungen anstellen. Dann ist sie genauso in Gefahr wie ich selbst. Mehr noch, weil sie nicht weiß, wie sie sich schützen kann.“ Atwater warf einen Blick auf den Pistolengurt, der locker auf Rafes Hüften hing.
Er hatte Rafe die Waffen zurückgegeben mit der Begründung, dass zwei bewaffnete Männer allemal besser seien als einer. Wenn jemand Annie beschützen konnte, dann war es dieser Mann.
„Also gut“, nickte er. „Wir nehmen den Zug.“
Vielleicht war das Reiten für Annie doch zu anstrengend gewesen und sie hatte sich deshalb so krank gefühlt. Denn schon am nächsten Tag fühlte sie sich besser, trotz der schaukelnden Bewegung des Zuges. Zunächst hatte sie gegen das neue Transportmittel protestiert, weil sie wusste, dass Rafe sich nur ihretwegen für den Zug entschieden hatte. Aber wie üblich war er in seiner Entscheidung nicht umzustimmen gewesen. Atwater besorgte ein wenig Gesichtspuder - „Verdammt peinlich für einen Mann, nach so was zu fragen! Verzeihung Ma’am!“ - und Rafe hatte seinen Bart damit grau eingefärbt. Dann tupfte er noch ein bisschen Puder auf seine Schläfen und sah mit einem Mal ganz anders aus. Annie war sehr angetan von seinem neuen Aussehen, denn jetzt wusste sie, dass er ihr in zwanzig Jahren noch genauso gut gefallen würde.
Obwohl sie noch nie in New Orleans gewesen war, war sie zu angespannt, um all die charmanten Seiten dieser blühenden Stadt in sich aufnehmen zu können. Sie nahmen sich wieder ein Hotelzimmer, doch für Rafe war es zu spät, noch zur Bank zu gehen und die Dokumente zu holen. Und da auch die Zugfahrt anstrengend gewesen war, aßen sie im Hotel zu Abend und zogen sich dann in ihre Zimmer zurück.
„Begleitet Atwater dich morgen?“, fragte Annie, als sie im Bett lagen. Sie hatte sich schon den ganzen Tag Sorgen darum gemacht.
„Nein, ich gehe allein.“
„Aber du wirst doch vorsichtig sein, oder?“
Er hob ihre Hand an die Lippen und küsste sie. „Ich bin der vorsichtigste Mann, der dir je über den Weg gelaufen ist.“ „Vielleicht sollten wir deine Haare morgen ganz grau ein-färben.“
„Wenn du willst.“ Er würde sich von Kopf bis Fuß einpudern, wenn er ihr damit die Angst nehmen könnte. Erneut küsste er ihre Fingerspitzen und spürte das warme Prickeln, das offensichtlich nur ihm allein Vorbehalten war. Niemand anders spürte es sonst bei Annies Berührung. Er vermutete, dass es ihre Reaktion auf ihn war. „Ich bin sehr froh, dass
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