Gefangene des Feuers
Stirn vertieften sich. Nun ja, er hatte schon die ganze Zeit gewusst, dass er McCay bis zu einem gewissen Punkt vertrauen musste. Aber dennoch hatte er immer noch geglaubt, dieser Gesetzlose würde bei der erstbesten Gelegenheit verschwinden. Dabei hatte McCay ihm nicht nur gerade eben das Leben gerettet, sondern sich auch die perfekte Gelegenheit für seine Flucht entgehen lassen. Es konnte nur einen Grund geben, warum dieser Mann sich so verhielt: Er sagte die Wahrheit. Das, was für ihn bis jetzt nur im Bereich des Möglichen gelegen hatte, wurde für Atwater nun zur Gewissheit. McCay hatte nicht gelogen. Man hatte ihm einen Mord angehängt, doch gejagt wie ein wildes Tier wurde er allein wegen dieser Papiere. Das, was die letzten vier Jahre passiert war, hatte verdammt noch mal nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Aber Atwater hatte sich nun einmal vorgenommen, für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen.
„Vielleicht sollte ich Ihnen doch allmählich über den Weg trauen“, brummte er.
„Ja, vielleicht“, stimmte Rafe zu.
Inzwischen waren sie im Hotel angekommen und die Treppe zu ihren Zimmern hinaufgestiegen. Auf Zehenspitzen gingen sie an dem Zimmer vorbei, in dem Annie schlief, damit sie von ihren Schritten nicht geweckt wurde. Atwater schüttete Wasser in eine Schüssel, tauchte sein Tuch hinein und begann, vorsichtig den Kratzer an seinem Kopf zu waschen. „Mein Kopf tut höllisch weh“, bemerkte er. Eine Minute später fügte er hinzu: „Dieser Kerl, der aus dem Hinterhalt aufgetaucht ist, wusste, wer Sie sind. Er hat Ihren Namen gesagt. Warum war er dann hinter mir her, statt hinter Ihnen?“
„Wahrscheinlich wollte er Sie aus dem Weg räumen, um selber die Kopfgeldprämie kassieren zu können. Er muss Sie erkannt haben. Sie sind ja nicht gerade unbekannt in dieser Gegend.“
Atwater schnaubte. „Kann man nur froh sein, dass er Ihren Namen nicht laut herausposaunt hat.“ Er spähte in den Spiegel. „Ich denke, die Blutung ist gestoppt. Aber in meinem Kopf hämmert es immer noch.“
„Ich hole Annie“, sagte Rafe.
„Muss nicht sein, außer, sie kann was gegen diese Kopfschmerzen machen.“
Rafes Blick wirkte plötzlich geheimnisvoll. „Kann sie.“ Er blieb mit der Hand am Türknauf stehen. „Ich gehe nach unten zur Rezeption und sage Bescheid, dass wir Wasser zum Baden brauchen. Ich habe nicht vor zu heiraten, wenn ich stinke wie ein Iltis und völlig verdreckt bin. Wollen Sie mich begleiten, um sicherzugehen, dass ich nicht abhaue?“
Atwater seufzte und winkte ab. Als ihre Blicke sich jetzt trafen, lag gegenseitiges Einverständnis darin.
Rafe kümmerte sich zunächst um das Badewasser, dann ging er wieder nach oben. Als er ihr Zimmer betrat, schlief Annie immer noch. Einen Moment stand er neben dem Bett und sah sie an. Gott! Sein Baby wuchs in diesem zierlichen Körper heran und zehrte bereits an ihren Kräften. Wenn er könnte, würde er sie die nächsten acht Monate in Watte packen. Um genau zu sein: sieben Monate und vierzehn Tage, denn seit dem Tag im Lager der Apachen waren schon sechs Wochen vergangen. Sechs lange Wochen, in denen er nicht mehr mit ihr geschlafen hatte.
Er dachte darüber nach, wie ihr Körper sich wohl in den kommenden Monaten verändern würde. Verzweiflung stieg bei dem Gedanken in ihm auf, dass er vielleicht nicht da sein würde, um diese Veränderungen mitzubekommen. Ihr Bauch würde rund werden, ihre Brüste schwer. Allein die Vorstellung erregte ihn schon, und ein Lächeln umspielte seinen Mund. Anständige Männer sollten ihre Frauen während dieser heiklen Zeit in Ruhe lassen. Was vermutlich bewies, dass er eben kein anständiger Mann war.
Da man bald das Wasser und den Zuber bringen würde, beugte er sich hinunter und rüttelte Annie sanft wach. Denn sie musste sich vorher noch um Atwater kümmern. Sie murmelte etwas und stieß seine Hand zur Seite. Rafe schüttelte den Kopf. „Aufwachen, Liebes! Atwater hatte einen kleinen Unfall und braucht deine Hilfe.“
Sofort öffnete sie die verschlafenen Augen und krabbelte aus dem Bett. Rafe griff nach ihr, als sie schwankte, erfüllt von heißer Freude, weil er sie endlich wieder im Arm hielt. „Langsam“, murmelte er. „Es ist nichts Schlimmes, nur ein Kratzer. Aber er hat entsetzliche Kopfschmerzen.“
„Was ist denn passiert?“ Sie strich die Haare aus dem Gesicht, während sie nach ihrer Tasche griff. Rafe kam ihr zuvor und hob sie für sie auf.
„Er war einem Streifschuss im Weg. Nichts
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