Gefangene des Feuers
Recht haben könnte, sie zu berühren, mit ihr zu schlafen. „Sag ihm, dass du mit gespreizten Beinen geritten bist“, gab er barsch zurück.
Heiße Röte überzog ihre Wangen. „Das tue ich. Aber ich werde den Mann, den ich heirate, nicht anlügen. Ich werde ihm sagen müssen, dass ich mich einem Mörder hingegeben habe.“
Schwer hingen die Worte zwischen ihnen, scharf wie eine Klinge. Rafes Miene wirkte nun kalt, und er stand auf. „Geh ins Bett. Ich will nicht die ganze Nacht aufbleiben, nur weil du ein Feigling bist.“
Auch wenn Annie den letzten Satz bedauerte, war ihr zu ihrem Schutz nichts anderes eingefallen, als seine Wut zu schüren. Ihre jungfräuliche Angst war ganz und gar kein Schutz gewesen, weder vor ihm noch vor ihr selbst. Das hatte er gewusst und sie langsam mürbe gemacht. Nur ihr Entsetzen und die Furcht vor Schmerzen hatten sie dazu gebracht, seinen ersten Verführungsversuch abzuweisen. Als er in die Hütte zurückgekehrt war, war sie verzweifelt gewesen, weil sie glaubte, ihm beim nächsten Mal nicht mehr widerstehen zu können. Er hingegen hatte ihren Zustand als Angst empfunden, dabei spürte sie immer noch das pochende Verlangen tief in sich.
Als sie zögerte, beugte er sich hinunter, nahm ihren Arm und zog Annie auf die Füße. Schnell hob sie die Hände, um ihn abzuwehren. „Lass mich zumindest meine Kleider anbehalten. Bitte, Rafe! Zwing mich nicht wieder, sie auszuziehen.“
Am liebsten hätte er sie geschüttelt und ihr erklärt, dass ein Höschen sie nicht vor ihm schützen würde, wenn er sie wirklich haben wollte. Aber vielleicht würden seine ungebärdigen Lenden sich besser benehmen, wenn sie in Stoff eingehüllt war und er ihre nackte Haut nicht an seinem Körper spüren konnte. „Leg dich hin!“, knurrte er.
Dankbar kroch sie unter die Decken und rollte sich zusammen.
Rafe legte sich ebenfalls hin. Er starrte zu den Schatten auf der Decke hoch. Sie hielt ihn für einen Mörder. So wie viele andere Leute auch. Und auf seinen Kopf war ein hoher Preis ausgesetzt. Teufel, ja, er hatte getötet! Schon vor langer Zeit hatte er aufgehört zu zählen, wie viele Männer durch seine Kugeln gestorben waren, ehe er um sein Leben gerannt war. Aber das war im Krieg gewesen. Die Männer, die er danach getötet hatte, waren alle hinter ihm her gewesen. Und wenn er die Wahl gehabt hatte zwischen seinem Leben und dem des anderen, war der andere immer an zweiter Stelle gekommen.
Er war nun mal kein aufrechter Bürger, wie eine Frau ihn sich erträumte, wenn sie heiraten und sich niederlassen wollte. Seit er auf der Flucht war, hatte er gelogen, gestohlen und getötet. Und er würde es wieder so machen, wenn es notwendig sein würde. Seine Zukunft sah verdammt düster aus, selbst wenn er es schaffte, dem Gesetz einen Schritt voraus zu sein. Er hatte Annie entführt, sie hier in die Berge verschleppt und sie zu Tode geängstigt. Von der Warte aus betrachtet würde wohl keine Frau das Bett mit ihm teilen. Warum versetzte es ihm dann so einen heftigen Stich, dass sie ihm das Wort „Mörder“ entgegengeschleudert hatte?
Weil es von Annie gekommen war. Weil er sie wollte, mit jeder Faser seines Seins.
Annie lag wach da, noch lange, nachdem das Feuer schon niedergebrannt war. Lange, nachdem sie gespürt hatte, dass sein angespannter Körper sich entspannte und sein ruhiger Atem zeigte, dass er eingeschlafen war. Sie starrte in die Dunkelheit, mit brennenden Augen.
Sie musste fort von hier. Zunächst hatte sie geglaubt, dass sie ihm noch ein paar Tage länger würde widerstehen und sich selbst schützen können. Doch jetzt wusste sie, dass selbst ein Tag zu viel wäre. Der einzige Schutzwall um ihr Herz war die Tatsache, dass sie ihm noch nicht ganz gehört hatte. Andernfalls würde die leidenschaftliche Vertrautheit selbst diesen schwachen Schutzschild zunichte machen. Sie wollte ihn nicht lieben! Sie wollte ihr Leben wieder aufnehmen, genau dort, wo sie es verlassen hatte, um alles so vorzufinden wie immer.
Doch wenn er ihr auch noch diesen winzigen Schutz nahm, wäre nichts mehr wie zuvor. Sie würde nach Silver Mesa zurückkehren und all ihre Zeit darauf verwenden, die Kranken und Verwundeten zu heilen, aber in ihrem Inneren wäre nichts als Schmerz. Sie würde ihn nie Wiedersehen, nie wissen, ob er in Sicherheit und unverletzt war. Oder ob er schließlich doch vom Arm des Gesetzes eingefangen worden war und sein Leben am Galgen beendete, mit einem Strick um den Hals. Vielleicht
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