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Gefangene des Feuers

Titel: Gefangene des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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würde er auch irgendwo tot liegen, von einer Kugel niedergestreckt, ohne dass jemand ihn begrub oder seinen Tod beklagte. Und sie würde ihr Leben lang darauf warten, etwas von ihm zu hören, begierig jeden müden und schmutzigen Fremden betrachten, der in die Stadt ritt, um sich dann enttäuscht abzuwenden, wenn er es wieder nicht war. Er würde es nie sein, und sie würde nicht wissen warum.
    Wenn sie blieb, ihrer Schwäche nachgab und dem fiebernden Verlangen in sich, würde sie vielleicht ein Kind von ihm empfangen. Dann würde sie Silver Mesa verlassen und sich einen anderen Ort suchen müssen, wo sie als Ärztin praktizieren könnte. Und sie würde vorgeben müssen, Witwe zu sein, damit ihr Kind - und sein Kind - nicht das Stigma der Unehelichkeit würde ertragen müssen. Selbst wenn Rafe überlebte und nach ihr suchen sollte, würde er sie nicht finden. Denn sie hätte die Stadt schon längst verlassen und sich einen neuen Namen zugelegt.
    Sie hatte ihm gegenüber alle möglichen Entschuldigungen vorgebracht, außer der einen, die wirklich zählte: dass sie ihn nicht lieben wollte. Sie hatte Angst davor, ihn zu lieben. Ohne es zu wissen, war er sehr nahe an der Wahrheit gewesen, als er sie einen Feigling nannte.
    Sie musste von hier fort! Sie war zu aufgewühlt, um schlafen zu können, denn sollte sie einschlafen, würde sie vielleicht nicht rechtzeitig aufwachen. Und eine zweite Chance, ihm zu entwischen, würde sie sicher nicht bekommen.
    Sie zwang sich zu warten, um die Zeit, die sie in Kälte und Dunkelheit reiten müsste, so kurz wie möglich zu halten. Sie wollte versuchen, eine halbe Stunde vor der Morgendämmerung zu verschwinden, wenn Rafe noch tief und fest schlief.
    Wie gefährlich ihr Unternehmen war, daran wollte sie erst gar nicht denken. Denn sie kannte den Weg zurück nach Silver Mesa nicht. Wäre sie nicht so verzweifelt, würde sie erst gar nicht auf die Idee kommen, sich allein auf den Weg zu machen. Sie wusste nur noch, dass er Silver Mesa Richtung Westen verlassen hatte, also müsste sie nach Osten reiten. Sollte sie sich verirren, was sicher der Fall sein würde, müsste sie sich nur immer Richtung Osten halten und würde dann irgendwann die Berge hinter sich lassen. Sie konnte keine Waffe mitnehmen und auch nicht ihre Arzttasche. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich, aber sie würde den Verlust verschmerzen. Die Instrumente, die Medikamente und die Kräuter darin würde sie ersetzen können.
    Annie spürte, dass sie versucht war einzunicken. Sie zwang sich, die Augen offen zu halten.
    Wie lange lag sie schon wach? Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Entsetzt wurde ihr bewusst, dass sie jetzt verschwinden müsste, wenn sie nicht das Risiko eingehen wollte, zu lange zu warten. Auch wenn sie glaubte, dass es erst mitten in der Nacht war, musste sie die Gelegenheit sofort beim Schopf fassen.
    Mit äußerster Vorsicht rückte sie ein kleines Stück nach dem anderen von Rafe ab und hielt immer wieder inne. Doch er schlief ungestört weiter. Es kam ihr wie eine Stunde vor, aber tatsächlich waren es wohl nicht mehr als fünfzehn Minuten, als sie sich von dem Bett aus Kiefernnadeln heruntergeschoben hatte und am Boden kauerte. Kälte drang durch ihre nackten Fußsohlen. Auch wenn es sie wertvolle Zeit kostete, kroch sie zum Kamin und tastete in der Dunkelheit herum, bis sie ihre Schuhe und Strümpfe gefunden hatte. Denn ihre Zehen durch Frostbrand zu verlieren, das konnte sie sich nicht leisten.
    Sie konnte nur hoffen, dass es bald hell und damit wärmer werden würde, denn sie wagte es nicht, ihren Mantel zu nehmen. Er lag nahe bei seinem Kopf, und sein Gewehr hatte er quer darüber platziert. Mit Sicherheit würde er aufwachen, wenn sie ihn wegnahm.
    Der schwierigste Teil stand ihr noch bevor: die Tür zu öffnen. Leise stellte sie sich aufrecht hin und griff nach dem grob geschnitzten Griff.
    Ihre Brust war wie zugeschnürt vor Angst, sie konnte kaum atmen. Sie schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, als sie die Tür mit äußerster Vorsicht öffnete. Kalter Schweiß lief ihr über den Rücken, während sie darauf lauerte, ob die Tür ein Kratzen oder Quietschen von sich geben würde, irgendein Geräusch, das ihn aufschrecken und zu seiner großen Pistole greifen ließe.
    Eiskalte Luft drang in die Hütte. Gott im Himmel, sie hatte nicht erwartet, dass es so schlimm sein würde! Schließlich war die Tür weit genug auf, dass sie hinausschlüpfen konnte - um sich

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