Gefangene des Feuers
Schließlich entschieden sie, es gerecht untereinander aufzuteilen. Es war kein großes Vermögen, etwa zweitausend Dollar für jeden, aber nach dem Krieg war das viel Geld.“ Er runzelte die Stirn. „Tench hatte schließlich auch noch die Regierungspapiere und Davis’ persönliche Dinge in seiner Obhut. Da er Angst hatte, von Yankees angehalten und ausgeraubt zu werden, vergrub er das Geld und die Papiere, um die Sachen später zu holen.“
„Und hat er es getan?“
Rafe schüttelte den Kopf. „Ich habe Tench zufällig im Jahr 1867 in New York getroffen. Er wollte da an irgendeiner Versammlung teilnehmen. Ich war dort mit ... ach, egal.“
Mit einer Frau, dachte sie und war erstaunt, dass sie mit solch heftiger Eifersucht reagierte. Finster sah sie ihn an, doch es war vergebene Liebesmüh, weil er seinen Blick schon abgewandt hatte.
„Tench hat dort noch einen Freund getroffen, Billy Stone. Wir drei sind dann in einen Club gegangen, haben zu viel getrunken und uns über alte Zeiten unterhalten. Ein anderer Mann, ein gewisser Parker Winslow, hat sich dann zu uns gesellt. Er arbeitete für den Commodore Cornelius Vanderbilt. Billy Stone schien sehr von ihm beeindruckt zu sein, hat ihn in der Runde vorgestellt und ihm die Drinks bezahlt. Betrunken wie wir waren, sind wir dann auf den Krieg zu sprechen gekommen. Tench hat den anderen dann erzählt, dass ich für Mosby geritten bin, und sie haben eine Menge Fragen gestellt. Ich habe ihnen allerdings nicht viel erzählt. Die meisten Leute würden einem ohnehin nicht glauben, wenn man erzählt, wie es wirklich war. Aber Tench hat ihnen erzählt, was mit ihrem Anteil des Schatzes passiert ist, dass er ihn zusammen mit persönlichen Papieren von Präsident Davis vergraben und ihn bis jetzt nicht wieder ausgegraben hätte. Er meinte, es wäre wohl an der Zeit, zurück nach Florida zu gehen. Winslow fragte dann, wie viele Leute von dem Geld und den Papieren wüssten, und ob noch jemand anders darüber Bescheid wüsste, wo sie versteckt sind. Wie ich schon sagte: Tench war betrunken. Er legte den Arm um meine Schultern und sagte, dass sein guter, alter Freund McCay der einzige Mensch auf der Welt sei, der wisse, wo er seinen Anteil des Schatzes versteckt habe. Ich war genauso betrunken, sodass es mir egal war, was er den anderen erzählte. Ich habe einfach mitgemacht.“
Rafe sah Annie nachdenklich an.
„Als Tench am nächsten Tag wieder nüchtern war, machte er sich Sorgen, dass er zu viel verraten haben könnte. Ein kluger Mann sollte nicht herumerzählen, dass er irgendwo Geld versteckt hat. Zudem war dieser Parker Winslow ein Fremder. Aus irgendeinem Grund war Tench überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken. Da er den anderen beiden ja schon erzählt hatte, ich wüsste von dem Versteck, hat er mir auf einer Karte gezeigt, wo das Geld und die Papiere versteckt sind, und mir die Karte dann überlassen. Drei Tage später war er tot.“
Den Anflug von Eifersucht hatte sie völlig vergessen. „Tot?“, wiederholte Annie. „Was ist denn passiert?“
„Ich denke, es war Gift“, erwiderte er müde. „Du bist doch Ärztin. Womit könnte man wohl einen gesunden jungen Mann innerhalb weniger Minuten umbringen?“
Sie dachte darüber nach. „Mit einigen verschiedenen Giften. Blausäure wirkt in weniger als fünfzehn Minuten. Arsen, Fingerhut, Nachtschattengewächse, sie wirken alle genauso schnell, wenn man genug davon nimmt. Ich habe gehört, dass es in Südamerika ein Gift gibt, das sofort tötet. Aber wieso glaubst du, dass er vergiftet wurde? Er kann doch auch krank geworden und gestorben sein? So etwas passiert auch immer wieder.“
„Ich weiß zwar nicht, dass es Gift war, aber ich nehme es an. Er war bereits tot, als ich ihn gefunden habe. Ich war am Abend zuvor nicht zurück in mein Hotelzimmer gegangen ...“
„Warum nicht?“, fragte sie und funkelte ihn erneut finster
an.
Etwas in ihrer Stimme schreckte ihn auf. Er wandte sich zu ihr um. Für einen Moment wirkte er beunruhigt, aber auch verlegen. Schließlich räusperte er sich und sagte: „Das spielt keine Rolle. Jedenfalls bin ich zu Tenchs Zimmer gegangen und fand ihn tot vor. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl. Aber vielleicht bin ich auch nur misstrauisch geworden, weil er so besorgt gewesen und jetzt plötzlich tot war. Jedenfalls habe ich sein Hotelzimmer dann verlassen. Parker Winslow war in der Lobby, als ich nach unten kam. Er lebte in New York, daher wusste ich, dass er in dem Hotel
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