Gefangene des Feuers
sollte. Als Rafe dem Tod zum ersten Mal ins Antlitz sehen musste, war ihm keine Zeit zum Nachdenken geblieben, denn die Schlacht tobte unbarmherzig weiter. Danach hatte er sich übergeben und sich gefragt, ob er je wieder einen neuen Morgen erleben könnte. Doch die Sonne war wieder aufgegangen und weitere Schlachten mussten geschlagen werden. Er hatte erlebt, wie vergänglich das Leben war und wie schnell es verlöschen konnte, ohne dass es für die Welt einen Unterschied machte.
Annie würde nie in der Lage sein, das zu akzeptieren. Das Leben war ein viel zu wertvolles Gut für sie, und er empfand Demut, dass sie getötet hatte, um ihn zu retten. Sie war ein Abbild der Reue und voller Schuldgefühle, und das durfte er nicht zulassen. Er wusste nicht, was er anderes tun sollte, als sich zu weigern, sie mit ihren dunklen Erinnerungen an den Tod allein zu lassen. Er beugte sich vor. „Annie, wir leben weiter.“
Seine starken Hände waren plötzlich unter ihrem Rock, banden ihr Höschen auf und zogen es herunter. Dann schob er ihren Rock hoch und legte sich auf sie.
Sie war noch nicht bereit für ihn und klammerte sich an ihn, während er sich mit kraftvollen Stößen in ihr bewegte. Doch seine Leidenschaft tröstete sie, ihren Leib und ihre Seele. Sie spürte, dass er um ihre Gefühle wusste, genau wie er gewusst hatte, dass man das Leben dann am intensivsten empfand, wenn man dem Schreckgespenst des Todes ins Antlitz geblickt hatte. Er würde nicht zulassen, dass sie vor Schuldgefühl zerfloss. So ist das Leben, das hatte er ihr gezeigt. Mit der Kraft seines Körpers hatte er sie der Todesszene entrissen, die wieder und wieder in ihrem Kopf aufgeführt worden war.
Endlich schlief sie tatsächlich ein, erschöpft von dem, was er ihr abgefordert hatte, und der explosiven Reaktion ihres Körpers. Rafe hielt sie in seinen Armen und spürte, wie sie sich endlich entspannte. Erst dann erlaubte er sich, selbst in den Schlaf hinüberzugleiten.
12. KAPITEL
Wo reiten wir hin?“, fragte sie, als sie mittags anhielten. Sie wollten etwas essen und die Pferde ausruhen lassen.
„Nach Mexiko. Damit Atwater meine Spur verliert.“ „Aber die Kopfgeldjäger werden dir auf den Fersen bleiben.“
Er zuckte nur die Schultern.
„Trahern sagte, dass zehntausend Dollar auf deinen Kopf ausgesetzt sind.“
Rafes Augenbrauen schossen nach oben, und er pfiff durch die Zähne. Er wirkte sogar ein wenig erfreut. Annie hatte noch nie in ihrem Leben einen Menschen geschlagen, doch jetzt war sie sehr in Versuchung, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Männer!
„Sie haben die Prämie erhöht“, meinte er. „Zuletzt hörte ich von sechstausend Dollar.“
„Wer war denn der Mann, den du angeblich getötet haben sollst?“, fragte sie erstaunt. „War er eine so wichtige Persönlichkeit?“
„Er hieß Tench Tilghman.“ Rafe stockte, den Blick zum Horizont gerichtet. Vor seinem geistigen Auge tauchte Tenchs junges ernstes Gesicht auf.
„Ich habe noch nie von ihm gehört.“
„Das kann ich mir vorstellen. Er war auch nicht bekannt.“ „Warum ist dann eine so hohe Belohnung ausgesetzt? Ist seine Familie reich? War das der Grund?“
„Tenchs Familie hat nichts damit zu tun“, murmelte Rafe. „Und Tench diente ihnen auch nur als Aufhänger. Wäre er nicht gewesen, hätten sie mir einen anderen Mord angehängt. Es geht einzig und allein darum, mich zu töten, nicht um Gerechtigkeit. Mit Recht und Gesetz hat die ganze Sache verdammt wenig zu tun.“
Fragend sah sie ihn an. „Du hast mir bisher nichts erzählen wollen, weil es zu gefährlich für mich war. Aber jetzt sieht die Sache doch wohl anders aus, oder? Ich kann nicht mehr zurück nach Silver Mesa und so tun, als hätte ich nie von dir gehört.“
Damit hatte sie recht. Versonnen sah Rafe sie an. Sie saß so aufrecht da, die Bluse bis oben zugeknöpft, als wären sie in einem vornehmen Salon. Ein schmerzhafter Stich fuhr durch seine Brust. Was hatte er ihr nur angetan? Er hatte sie aus einem Leben gerissen, das sie sich hart erarbeitet hatte, und jetzt war sie mit ihm auf der Flucht. Aber er konnte sie nicht zurücklassen, weil sie dann zugeben würde, Trahern getötet zu haben. Dann würden die Männer, die hinter ihm her waren, wissen oder zumindest ahnen, dass sie ihn kannte, und annehmen, dass sie vielleicht auch um seine Geheimnisse wusste. Sie würden kein Risiko eingehen und Annie töten. Vielleicht war es an der Zeit, dass sie von diesen anderen erfuhr. Denn die
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