Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
gespiegelt hatte.
Aber kein Bedauern, keine Reue. Es scherte ihn nicht, wie sehr er sie verletzt hatte.
Sie riss die Haustür auf und stürmte nach draußen. Es hatte angefangen zu regnen. Einen Augenblick lang blieb sie wie erstarrt stehen, ihr Herz raste, und der Regen vermischte sich mit den Tränen auf ihren Wangen. Dann begann sie zu rennen.
Das abgehackte Stakkato ihrer Schritte brach sich wie Donnerhall in ihren Ohren. Jack hatte ihr niemals eine Liebeserklärung gemacht, und dennoch war sie immer davon ausgegangen, dass er sie liebte. Ihrem Empfinden nach herrschte zwischen ihnen ein stillschweigendes Einverständnis darüber, dass das, was sie miteinander verband, etwas ganz Besonderes war. Etwas Wichtiges. Sie hatte an ihn geglaubt. Sie hatte ihm vertraut. Sie war davon überzeugt gewesen, dass er dasselbe für sie empfand wie sie für ihn. Umso mehr schmerzte sie jetzt die Erkenntnis, dass sie einem grausamen Irrtum aufgesessen war.
Und wieder drängten die alten Erinnerungen mit Macht an die Oberfläche ihres Bewusstseins; die Dämonen ihrer Kindheit, von denen sie geglaubt – gehofft – hatte, sie abgeschüttelt zu haben. Ihr Vater, der sie zwang, in den Spiegel zu schauen, wobei er ihr eintrichterte, wie hässlich sie war. So hässlich, dass kein Mann jemals sie auch nur mit dem kleinen Finger anfassen würde. Rickys und Tommys Lachen, während sie ihr die Papiertüte über den Kopf gestülpt hatten, die gemeinen Bemerkungen der Jungen auf dem Schulhof. Diese Bilder verspotteten sie, nannten sie eine Törin, erinnerten sie daran, wer sie war.
Wie hatte sie das auch nur einen Augenblick vergessen können?
Als sie endlich die Bushaltestelle erreicht hatte, blieb sie nach Luft ringend stehen und schlang die Arme um sich. Alle hatten sie vor Jack gewarnt.
Sallie und Marty. Die Leute von Tyler. Und noch einige mehr. Ihr fiel wieder ein, was sie zu Cliff gesagt hatte, als er angerufen hatte, um Jack zu gratulieren … Der einzige mildernde Umstand ist Jacks Talent.
Ja, dachte sie jetzt mit einem bitteren Auflachen, sein Talent im Bett. Cliff hatte sich wahrscheinlich über ihre Naivität halb tot gelacht. Ebenso wie alle anderen auch. Sie war zum Gespött der Leute geworden und hatte es nicht einmal bemerkt.
„Zoe“, rief sie eine halbe Stunde später und schaute sich suchend um. Ihr war, als würde sie gleich in tausend Einzelteile auseinander fallen. „Zoe, wo bist du?“
„Hier, Becky Lynn.“ Zoes Kopf tauchte hinter der Lehne der Couch auf. Mit vor Erstaunen weit aufgerissenen Augen starrte sie Becky Lynn an. „Um Himmels willen, was ist denn mit dir los?“
„Es ist wegen Jack … er … er …“ Becky Lynn schlug sich die Hände vors Gesicht. „Oh, Zoe, es ist so schrecklich.“
Zoe sprang wie von der Tarantel gebissen auf, war mit ein paar schnellen Schritten bei Becky Lynn und schaute sie alarmiert an. „Oh mein Gott, ihm ist doch nichts passiert?“ Sie packte Becky Lynn am Handgelenk und schüttelte sie leicht. „Sag doch schon, hat er einen Unfall gehabt? Oder ist er krank?“
Becky Lynn schüttelte den Kopf. Nun gelang es ihr nicht länger, ihren Tränen, die sie während der Busfahrt nur mit größter Anstrengung zurückgedrängt hatte, Einhalt zu gebieten. Wie Sturzbäche strömten sie ihre Wangen hinab. „Er … ich …“ Von Schluchzen geschüttelt brach sie ab. „Ich … ich … habe ihn im Bett … erwischt. Mit einer anderen … Frau.“
Zoe ließ Becky Lynns Handgelenk los. Ihr Arm fiel herab. „Mit wem?“
„Mit Garnet McCall.“ Als das Bild der beiden wieder vor ihrem geistigen Auge aufstieg, schlug Becky Lynn erneut die Hände vors Gesicht. Das heisere Liebesgeflüster verwandelte sich in hämisches Lachen. Rasch sprach sie weiter, um es zu übertönen. „Es war so schrecklich. Und er hat es nicht mal für nötig gehalten, sich zu entschuldigen. Er hat nur …“
„Warum sollte er auch?“
Becky Lynn schnappte nach Luft. „Was?“
„Warum sollte er sich entschuldigen? Er ist schließlich nicht
dein Eigentum.“
Während Becky Lynn ihre Freundin fassungslos anstarrte, erschien es ihr, als würde sie langsam ausbluten wie ein Tier auf der Schlachtbank. Ihre Finger- und Zehenspitzen begannen zu kribbeln. Plötzlich war ihr eiskalt.
„Hast du wirklich geglaubt, dass er dir treu ist?“ Zoe lachte. Es klang fast verächtlich. „Ein Mann wie Jack? Wo lebst du denn eigentlich, Becky Lynn? Auf dem Mond?“ Du benimmst dich wirklich total
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