Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefangene Seele

Gefangene Seele

Titel: Gefangene Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Sala
Vom Netzwerk:
geht es gut, und er ist mit unser aller Vater zusammen.”
    Jade hatte schon immer erklärt, sie glaube nicht an einen Gott. Jetzt verlangte Luke nicht nur von ihr, an Gott zu glauben, sondern auch noch daran, dass das Beste von Raphael an einem Ort weiter existierte, den sie nicht sehen konnte.
    Sie wollte nicht mit ihm darüber streiten, aber auf diese Art und Weise an Raphael zu denken, tröstete sie ein wenig.
    “Er hatte nie einen Vater.”
    “Na, jetzt hat er einen, Süße. Vielleicht ist es für dich ein wenig leichter, so an ihn zu denken, nicht wahr?”
    Sie zog ihre Hand aus seiner.
    “Hier ist nichts leicht.”
    Luke seufzte. Es war sinnlos, noch etwas zu sagen. Jade baute zwischen ihnen eine Mauer auf, um den Schmerz abzumildern, dem sie sich aber stellen musste. Er konnte es ihr nicht verdenken. An ihrer Stelle hätte er vielleicht genau dasselbe getan.
    “Hier entlang”, sagte er und führte sie in das Gebäude.
    Einige Minuten später trafen sie die Chefpathologin, die sie noch weiter ins Innere der Klinik mit ihren verwinkelten Fluren führte.
    “Wir haben hier ein Fenster, durch das Sie schauen können. Wenn Sie einen Moment warten, dann sage ich …”
    “Bitte … so nicht”, sagte Jade und presste ihre Finger gegen die Lippen, um nicht schreien zu müssen. “Ich muss mit ihm reden … ich muss wissen, dass es ihm gut geht.”
    Die Pathologin runzelte die Stirn, dann sah sie Luke an.
    “Wir dürfen nicht …”
    Die Aussage “dürfen nicht” machte Jade wütend.
    “Sie dürfen nicht? Ich darf ihn nicht sehen, bloß weil Sie diese blöden Maßgaben haben? Nein! Sie sind diejenigen, die ihn noch nicht einmal berühren dürfen sollten! Ich habe mit ihm zusammengelebt. Ich habe mit ihm zusammen geschlafen. Ich habe mit ihm gelacht.” Danach kippte ihre Stimme. “Ich habe mit ihm geweint. Wenn ich seinen Körper berühre, wird das nicht Ihre verdammte Untersuchung behindern.”
    “Lassen Sie sie zu ihm”, sagte Luke. “Was soll schon passieren?”
    Die Pathologin zuckte mit den Schultern, dann öffnete sie die Tür und tat einen Schritt zur Seite. “Nach Ihnen.”
    Luke trat in den Raum, aber Jade bremste ihn mit einem Blick.
    “Warte draußen.”
    “Bist du sicher?”
    “Nein, aber ich muss mit ihm allein sein.”
    Er nickte, dann steckte er die Hände in seine Taschen und sah sie durch den Raum in einen weiteren Raum verschwinden.
    Einige Sekunden später kam die Pathologin zurück und sah Luke fragend an.
    “Sie bat mich auch hinauszugehen.”
    “Das ist sehr schwer für sie”, sagte Luke.
    “Früher oder später sind wir nun einmal alle mit dem Tod konfrontiert.”
    “Ja, aber normalerweise haben wir Familie, die uns auffangen kann. Der Mann, der dort auf dem Untersuchungstisch liegt, ist der einzige Verwandte, den Miss Cochrane hat. Im Prinzip ist sein Tod das Ende von allem, was sie ihr Leben lang gekannt hat.”
    Die Medizinerin pfiff leise. “Das ist schlimm.”
    “Schlimm ist gar kein Ausdruck dafür”, sagte Luke und wünschte sich, sie hätte ihn nicht außen vor gelassen.
    Jade stand neben der Bahre und versuchte, nicht an den Körper zu denken, der unter dem Laken lag. Schließlich legte sie ihre Hand auf seinen Kopf.
    “Oh, Rafie … warum musste es so weit kommen?”
    Er antwortete nicht. In diesem Moment akzeptierte sie, dass sie nie wieder seine Stimme hören würde. Aber auch wenn er nicht antwortete, gab es Dinge, die sie ihm noch zu sagen hatte. Sie zupfte eine kleine Falte in dem Laken zurecht, dann legte sie ihre Hand auf seine Schulter.
    “Ich wollte dir nur sagen, dass du recht gehabt hast. Ich werde eine Therapie machen. Die Psychiaterin heißt Antonia DiMatto, du würdest sie mögen.” Jade unterdrückte ein Schluchzen, dann streichelte sie seinen Arm. “Oh, Rafie, ich habe dir nie gesagt, wie viel du mir bedeutest. Ich habe nie die Worte geäußert, die ich in meinem Herzen gespürt habe, aber ich sage sie jetzt. Ich hoffe nur, dass du mich hören kannst. Du hast mir das Leben gerettet, immer wieder, ohne jemals etwas von mir dafür zu verlangen. Bevor ich anfing zu malen … bevor ich überhaupt wusste, dass ich zeichnen konnte … habe ich dich nie gefragt, woher das Geld kam, von dem wir Essen und ein Dach über dem Kopf im Winter bezahlt haben. Ich habe es nicht gefragt, denn ich wollte es nicht wissen. Ich habe mir eingeredet, dass du nicht … aber du hast es getan, nicht wahr? Du hast es getan, und das hat dich getötet.”
    Jade senkte

Weitere Kostenlose Bücher