Gefangene Seele
“Wie ich schon sagte, ich bin mit allem einverstanden, was sie wieder ein wenig fröhlicher macht. Dann sehen wir uns morgen früh. Du weißt ja, wo mein Schlafzimmer ist, falls ihr etwas braucht.”
“Keine Angst, wenn jemand draußen nachts herumläuft. Ich habe noch ein paar Männer auf ihren Posten gelassen. Einer vorne, einer hinten, obwohl ich nicht glaube, dass das nötig sein wird.”
“Danke, Luke. Du bist mehr als nur ein guter Freund.”
“Schlaf gut”, sagte Luke.
Sam winkte und drehte sich um.
Luke schlüpfte wieder in Jades Schlafzimmer und schloss leise die Tür. Er ging zu seinem Sessel, doch dann hielt er an und drehte sich um, um die Tür abzuschließen.
Zuversichtlich, dass sie heute Nacht nicht noch einmal gestört würden, zog er seine Schuhe aus und dann sein Hemd und legte es auf den Tisch. Dann setzte er sich wieder neben ihr Bett. Die Sprungfedern quietschten leise, als er auf dem Sessel Platz nahm, dann war es still.
“Komm her, mein Mädchen. Lass Onkel Peter mal sehen, was du Hübsches unter deinem Hemdchen hast. Oh ja, … was für ein feines Nachthemd. Ich mag Rosa, du auch?”
“
Du riechst komisch aus dem Mund”, sagte Jade.
Das Lächeln verschwand von Onkel Peters Gesicht. Also mochte die kleine Schlampe es nicht, wenn man ein bisschen nach Brandy roch?
“
Du sollst Erwachsene nicht kritisieren. Onkel Peter wird dich dafür verhauen.”
Jade wachte abrupt auf. Sie schwitzte und sie spürte ihr Herz rasen. Sie drehte sich nach Raphael um, und in diesem Moment erinnerte sie sich an alles. Aber bevor sie traurig werden konnte, sah sie, dass Luke bei ihr war. Er war eingeschlafen, sein Kinn lag auf seiner Brust, die Beine gespreizt.
Sie holte tief Luft und versuchte, sich zu entspannen. Es war in Ordnung. Sie war nicht allein. Noch einmal sah sie Luke an, dieses Mal aus einer anderen Perspektive. Es drang ein wenig Licht durch die Vorhänge und ein gelblicher sanfter Schein kam aus dem Badezimmer, wo sie das Licht angelassen hatte. Im Schatten wirkte Luke völlig anders – nur hatte sie sich zuvor nicht getraut, sich das einzugestehen. Aber jetzt, wo er nicht merkte, dass sie ihn ansah, betrachtete sie ihn eingehend.
Seine Füße und sein Oberkörper waren nackt. So, wie sich seine Muskeln gegen die Hose abzeichneten, konnte Jade schließen, dass er gut durchtrainiert war. Im Gegensatz zu Raphaels war sein Gesicht nicht perfekt, aber es strahlte Stärke und Selbstbewusstsein aus, was Raphael nie hatte. Es rührte daher, dass Luke immer wusste, wer er war, und dass er geliebt wurde.
Er hatte dickes braunes Haar. Jade fragte sich, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn sie es berührte. Ob es strohig oder weich unter ihren Fingern war? Ihr Blick glitt zu seinem Hosenbund. Er hatte den Knopf geöffnet, aber nicht den Reißverschluss. Das Bund schmiegte sich an seinen glatten Bauch. Sie fragte sich, ob seine Beine wirklich so lang waren, wie sie wirkten. Und stellte sich plötzlich vor, wie sie nackt aussehen mochten.
Ein seltsames unbekanntes Gefühl zog ihr die Muskeln tief in ihrem Innersten zusammen. Es war wie ein Schmerz, der sie plötzlich traf, sodass sie kaum Luft bekam.
Sie hielt sich die Hände vor den Mund, um schnell ein leises Stöhnen zu unterdrücken. Sie hatte Raphael schon nackt gesehen. Aber nie hatte das bei ihr diese Gefühle ausgelöst. Jade setzte sich auf und betrachtete ihn, bis ihre Finger anfingen zu zucken. Schnell stand sie auf und holte Skizzenblock und Stift, die neben dem Tisch auf dem Boden gelegen hatten. Als sie wieder im Bett war, setzte sie sich im Schneidersitz auf und begann zu zeichnen.
Luke wusste nicht, wie lange er dieses Geräusch schon gehört hatte, aber er dachte, es wäre ein Traum gewesen. Es war ein unterbrochenes Kratzen – wie eine Ratte, die versucht, sich durch einen Pappkarton zu nagen – unterlegt von dem Geräusch, wenn jemand atmete. Ohne sich zu bewegen, öffnete er die Augen, und dann sah er sie.
Jade war wach, und nicht nur das, sie zeichnete. Zuerst dachte Luke, sie hätte wieder einen Albtraum gehabt und zeichnete das Gesicht, dass in ihrem Traum erschienen war. Aber dann bemerkte er, dass sie häufig zu ihm herübersah, ihn einen Moment lang musterte und dann ihre Aufmerksamkeit wieder dem Skizzenblock zuwandte. Sie zeichnete
ihn.
Er bewegte sich nicht und versuchte, gleichmäßig weiterzuatmen. Es war seltsam zu wissen, dass sie ihn ansah, ohne ihm in die Augen zu schauen – sie sah
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