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Gefangene Seele

Gefangene Seele

Titel: Gefangene Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Sala
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zuhörte. Dann holte Jade tief Luft.
    “Meine Mutter starb, als ich sechs Jahre alt war. Ich kann mich kaum noch an sie erinnern.”
    “Das ist schlimm. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlen muss.”
    Jade sah auf den Tisch. Ihre Hand zitterte. Sie ballte sie zur Faust, damit Luke es nicht bemerkte.
    “Du hast mit Raphael und mir in demselben Zimmer geschlafen.”
    “Ja?”
    “Du hast mich gehört … du hast es zwar nie angesprochen, aber du hast es trotzdem gehört, nicht wahr?”
    Luke wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
    Sie zuckte mit den Schultern. “Macht auch nichts. Aber das ist es ja gerade, was ich versuche zu sagen. Ich erinnere mich weder an meine Mutter noch an meinen Vater, aber das, an was ich mich erinnern kann, hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Oder wie ich jetzt bin.”
    “Schau mal, wenn du dich nicht wohlfühlst dabei, dann musst du mir das alles nicht erzählen”, unterbrach sie Luke.
    Sie seufzte, dann sah sie ihn an und betrachtete sein markantes Kinn und den aufmerksamen Blick in seinen Augen.
    “Doch, das will ich.”
    “Dann los, ich höre dir zu.”
    “Gleich, nachdem meine Mutter gestorben war, verkaufte mich Solomon … der Mann, der der Guru der People of Joy war … an einen Mann.”
    Luke zuckte zusammen. “Wie … er verkaufte dich?”
    “Für die Nacht.”
    Luke spürte, wie sich sein Magen krampfartig zusammenzog, als hätte ihn jemand geboxt.
    “Er verkaufte dich. Für die Nacht.”
    Sie nickte.
    “Für Sex?”
    Sie lachte, aber es klang eher wie ein Schluchzen.
    “Ja.”
    Jetzt war es Luke, der ihrem Blick nicht mehr standhielt. Die Farben eines Druckes, der hinter Jade an der Wand hing, verschmolzen zu einer Masse an Tönen, aber er merkte erst, dass er weinte, als er die Tränen spürte, die über seine Wangen rannen.
    Zuerst war Jade über seine Reaktion erstaunt, dann fürchtete sie sich davor. “Es tut mir leid”, sagte sie schnell.
    Er sah auf und antwortete ihr mit einer tiefen und wütenden Stimme.
    “Hör auf!”
    “Womit?”
    “Hör
endlich
auf, dich ständig zu entschuldigen. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Nicht dafür. Dafür schon gar nicht. Um Himmels willen, Jade, du warst ein Kind. Jemand hätte auf dich aufpassen und dich nicht an Perverse verkaufen sollen.”
    “Es gab ja jemanden, der es versucht hat.”
    Luke wusste sofort, wen sie meinte. “Raphael.”
    “Ja, Raphael. Aber er war nur drei Jahre älter als ich, und da konnte er nicht viel ausrichten. Solomon ist mit all den Kindern genauso umgegangen. Deshalb ist Raphael krank geworden … Wir haben nie Drogen genommen. Und sobald wir es geschafft hatten, von Solomon wegzukommen, haben wir nie … wir konnten nicht …” Sie erschauderte. “Es war leichter, Hunger zu haben, als mit Sex Geld zu verdienen.”
    Luke versuchte, sich zu konzentrieren, die richtigen Fragen zu stellen, damit sie sich sicher genug fühlte, sich ihm ganz anzuvertrauen, aber am liebsten hätte er etwas zerstört – zuallererst den elenden Hurensohn, der ihnen das angetan hatte.
    “Wie habt ihr es geschafft fortzugehen?”
    “Ich bin mir nicht ganz sicher. Raphael hat es mir nur ein einziges Mal erzählt. Danach haben wir nie wieder darüber gesprochen.”
    “Ich sage es dir noch einmal, wenn du nicht darüber sprechen möchtest, ist das okay”, wiederholte Luke.
    “Nein. Ich kann dir genauso gut alles erzählen. Ich glaube, es war Ende Juli. Jedenfalls kann ich mich noch daran erinnern, dass es sehr heiß gewesen ist. Die anderen Kinder schliefen in so etwas wie Schlafsälen. Ich hatte immer verschiedene Mädchen, mit denen ich in einem Bett geschlafen habe … Mädchen, die so alt waren wie ich oder jünger. Die Jungs waren in einem größeren Zimmer am anderen Ende des Flures untergebracht. Wenn Solomon mich weckte und anfing, mich in den lilafarbenen Raum zu schleppen, dann wusste ich gleich, dass einer der Onkel da war.”
    “Onkel?”
    “So nannte er die Männer, die ihn dafür bezahlten, dass sie Sex mit Kindern hatten.”
    Luke beobachtete, dass sie keinerlei Gesichtsausdruck hatte, als sie erzählte. Weder in den Augen noch in der Stimme konnte er eine Regung erkennen, als sie ihre Hände in den Schoß legte und sich auf dem Stuhl zurücklehnte.
    Einen Moment lang erinnerte ihn das an jemanden, der vor ein Exekutionskommando gestellt wird. Dann erzählte sie weiter.
    “Ich kannte den Mann schon. Er war schon häufiger da. Er nannte mich sein hübsches

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