Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
Käfig gehalten, und seine Seele war verkümmert.
Nun war er frei … und hilflos dem gnadenlosen Wahnsinn preisgegeben, der ihn sein Leben lang verfolgt hatte.
„Hoffentlich“, sagte sie und versuchte sich zusammenzureißen, trotz des übermächtigen Bedürfnisses, ihren Sohn in die Arme zu schließen, „hoffentlich bin ich nun zu berühmt, um ohne Aufsehen ermordet zu werden.“ Und berühmt genug, dass ein Angriff auf Keenan zu schweren politischen Verwerfungen geführt hätte, was ihr noch viel wichtiger war.
„Was ist mit Phase 2?“
Sie wollte sich erst etwas ausdenken, aber sie wusste genau, es wäre umsonst gewesen. Er hätte sie sofort durchschaut. „Keine Ahnung.“ Logisches Denken, Überlebenssinn und Vernunft beschworen sie, sich von Keenan zu trennen, damit er weiter in Sicherheit war, aber diese Gedanken vertrugen sich nicht mit ihren Gefühlen als Mutter und verloren bei der inneren Auseinandersetzung. Sie konnte ihn nicht einfach zurücklassen.
„Und was ist mit Keenan?“, fragte Dorian, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Haben Sie vor, ihm in nächster Zeit einen Besuch abzustatten?“
Ihre Handflächen kribbelten, als sie an die weiche Haut ihres Sohnes dachte, seine zarten Glieder. Er war so klein und konnte so leicht verletzt werden. Aber diese Raubkatze war so stark, so zielgerichtet – er würde Keenan beistehen, wenn sie es nicht mehr konnte. Sie sah in die eisblauen Augen. „Er ist in Sicherheit, solange der Rat glaubt, ich hätte kein Interesse an ihm.“ Das war keine Lüge, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Sie wusste, es war die richtige Entscheidung, die einzige Möglichkeit, bis sie eine Lösung gefunden hatte, ohne das Blut ihrer Zwillingsschwester zu vergießen. Aber ihr Herz krampfte sich zusammen – Keenan würde glauben, sie hätte ihn angelogen, hätte ihn verlassen.
Zu viele Gefühle, dachte sie. Die Schilde von Silentium, so wichtig zum Schutz gegen Amara, brachen weg. Doch sie konnte nichts dagegen tun. Dorian war zu nah, sie spürte seinen Zorn in jedem Atemzug.
„Ist das Ihre Ausrede, um ihn nicht beachten zu müssen?“ Dorians Augen waren ausdruckslos, nichts erinnerte mehr an den Mann, der sie gerade noch im Arm gehalten hatte. „Aber ein Kind ist ja für Sie nichts weiter als eine Ansammlung von Genen, kein Geschöpf aus Fleisch und Blut, mit einer Seele und einem Geist. Wissen Sie überhaupt irgendetwas über ihn? Macht es Ihnen überhaupt nichts aus, dass er vielleicht darauf wartet, dass seine Mutter kommt, ihn in den Arm nimmt und ihm sagt, dass alles wieder gut wird?“
Seine Worte trafen sie hart, aber sie hielt stand. „Wenn ich zu ihm gehe, bringe ich ihn in Gefahr.“ Für Keenan war Amara der wirkliche Albtraum. Aber das konnte sie Dorian nicht erzählen. Denn dann würde er wissen wollen, warum. Und um dieses tödliche Geheimnis mit ihm teilen zu können, hätte sie mehr Vertrauen zu ihm haben müssen, als sie jemals einer anderen Person entgegengebracht hatte.
Ich habe dich gefunden!
Ashaya versuchte, die Tür in ihrem Geist zu schließen, aber sie klemmte. Zu spät. Es war zu spät.
Dorians Schnauben störte ihre Konzentration, und ihre Hände rutschten vom Türrahmen ab. „Sie haben sich von unnötigem Ballast befreit.“ Er richtete sich auf. „Nun, dumm gelaufen, Ms. Aleine. Sie werden Ihrem Sohn eine Mutter sein müssen. Verflucht noch mal, das Kind verdient Ihre ganze verdammte Zuneigung.“
„Nein“, sagte sie und schob Amara zurück, obwohl die unbändige Kraft des Gestaltwandlers jede Abwehr zunichte zu machen drohte. „Ich kann nicht …“
„Mir egal, was Sie können oder nicht können.“ Dorian drückte sie gegen das Geländer, legte seine Hände auf die eiserne Stange. Reine Wut. Reine Kraft.
Er hatte sie in der Falle.
Hielt sie gefangen.
Klaustrophobische Ängste tauchten auf. Und die Tür öffnete sich sperrangelweit.
Ach, Ashaya, du bist sehr, sehr böse gewesen.
16
Kaleb sah eine Aufzeichnung der Sendung mit Ashaya. Ihm war klar, dass Programm 1 damit gestorben war. Der Rat würde keine Möglichkeit haben, sich von diesem Schlag zu erholen. Ashaya hatte zwar gesagt, andere könnten ihre Arbeit fortführen, aber mit ihr stand und fiel das ganze Projekt, ihr Können und ihre unbedingte Konzentrationsfähigkeit auf eine Aufgabe waren einzigartig.
Programm 1 war erledigt. Aber Omega … darüber mussten sie sofort reden.
Er krempelte nicht erst die Ärmel herunter, sondern trat auf der Stelle
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