Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
Solange noch einer von denen lebte, die Enrique freie Hand gelassen hatten, würde er sie jagen. „Die Gefühle sind unsere Erinnerungen. Ohne sie wäre ein Tag wie jeder andere … und die Erinnerung an meine Schwester wäre schon lange verblasst.“
Ashaya lehnte sich ein wenig zurück und hörte ihm ruhig zu. Ihre erstaunlichen Augen hatten ihn in Bann geschlagen. „Du solltest deine Stimme hören, wenn du von ihr sprichst. Ich spüre den Schmerz in meinem Herzen, obwohl er nicht der meine ist.“
„Und doch ist er es. Du erkennst Liebe, wenn du sie spürst.“ Er hatte Kylie geliebt, es fiel ihm nicht schwer, das zuzugeben. „Und diese Liebe ist hier drin.“ Er ballte die Hand und legte sie auf sein Herz.
„Dorian.“ Ihre Hand hob sich, als wollte sie ihn berühren, aber dann schüttelte sie den Kopf und wandte sich ab. „Ich muss Kaffee machen.“
Er hätte seine Hände stillhalten sollen. Aber er hatte noch nie getan, was er sollte. Und er brauchte ein wenig Freude, um das Chaos in seinen Gedanken zu bändigen, das immer auftrat, wenn er an den Mord an seiner Schwester dachte – vielleicht war er eines Tages tatsächlich in der Lage, sich keine Vorwürfe mehr zu machen, dass er sie nicht gerettet hatte, aber dieser Tag war noch nicht gekommen.
Er legte seine Hände um Ashayas Taille und zog sie an sich.
„Dorian!“
Er küsste ihren Nacken. „Ich will dich nur freundlich warnen.“ Ihre Haut schmeckte so gut, er schleckte wie eine Katze an ihr und spürte, wie stark ihre Halsschlagader pulsierte. Sie schien nicht genügend Luft zu bekommen, um Fragen zu stellen, stellte er lächelnd fest. „Es war kein Scherz, ich will mit dir ins Bett. Sei bereit für unseren Tanz.“ Er drückte noch einen Kuss auf ihren Mund und zog sich dann zurück.
Sie drehte sich um, starrte aber erst eine Minute lang auf seine Lippen, ehe sie etwas sagen konnte. „Du bist wohl gewohnt, deinen Willen durchzusetzen?“
„Warum?“
„Im Moment siehst du so aus, als wolltest du ein Stück von mir abbeißen.“
Er schloss die Augen halb, seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Genau das will ich.“ Voller Freude bemerkte er, dass ihre Wangen sich röteten, und beschloss, den Augenblick noch ein wenig länger auszudehnen. „Ich will dich ausgestreckt auf meinem Bett. Dann werde ich deine Schenkel spreizen und …“
„Kaffee!“ Sie hielt sich am Tresen fest. „Der Kaffee ist gleich fertig.“
„Ach.“ Enttäuscht beugte er sich vor und knabberte an ihrem Ohr. „Dann werde ich dir eben später erzählen, wo ich dich beißen will.“ Mit rotem Gesicht, aber nicht mehr so ängstlich konnte sie sehen, dass er Vaughn ein Zeichen gab hereinzukommen. Der Straßenlärm drang herein, als die beiden wieder in das Zimmer traten.
Ein paar Minuten später stellte Ashaya den Kaffee auf einen niedrigen Tisch in der Mitte des Raums und setzte sich auf das Sofa, von dem aus man den Balkon sah, Dorian stellte sich hinter sie, Faith nahm auf dem Sofa ihr gegenüber Platz, und Vaughn setzte sich breitbeinig neben sie.
„Nehmen Sie keinen?“, fragte Faith, als Ashaya nur drei Tassen eingoss.
Ashaya schüttelte den Kopf. „Er ist ungewohnt für mich und scheint eine starke Wirkung zu haben.“
„Verstehe.“ Faith nahm zwei Tassen und schob eine ihrem Gefährten zu. „Ich bin süchtig nach dem Zeug, aber es ist stärker, als ich zuerst gedacht habe.“ Ihre Worte klangen freundlich, aber ihre fahrigen Bewegungen verrieten, wie unruhig sie war.
„Sagen Sie mir, was Sie gesehen haben“, sagte Ashaya so unnatürlich ruhig, als könnte sie sich nur noch mit Mühe beherrschen. „Ich möchte es lieber wissen, anstatt mir Dinge in meiner Fantasie auszumalen.“
Faiths Hände zitterten, als sie die fast volle Tasse wieder auf den Tisch stellte. Vaughn legte beruhigend den Arm um sie. „Ich hatte eine Vision“, fing sie an, „aber eine von der Sorte, bei denen nicht klar ist, ob das Ereignis zukünftig eintrifft … oder schon längst vorüber ist.“
„Rückschau“, sagte Ashaya. „Einer von meinen entfernten Verwandten verfügte über eine schwache Ausbildung dieser Fähigkeit.“
Dorian sah auf ihren Nacken, spürte schmerzhaft das Bedürfnis, sie wieder zu berühren, fortzusetzen, was er in der Küche begonnen hatte. Wider seinen Instinkt unterdrückte er das Verlangen, denn er wusste, dass sie es nicht mochte. Nicht, wenn sie versuchte, nach außen hin eine glatte Fassade zu zeigen. Es ärgerte den
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