Gefechte der Leidenschaft
Fensterläden sickerte. Sie schob die Hand unter das Kopfkissen und tastete nach dem kleinen Fläschchen mit dem Zaubertrank, das sie dort versteckt hatte. Immer wieder strich sie mit dem Daumen über das Glas und den Korken und dachte an allerlei.
Kurz vor Morgengrauen wurde sie von Figaro geweckt, der an der Tür kratzte und eingelassen werden wollte. Da es ihr Leid tat, dass sie ihn am Abend zuvor im Studierzimmer zurückgelassen hatte, redete sie besänftigend auf ihn ein und fragte sich, ob er wohl die Nacht über bei Caid geblieben war, da er sonst immer unter ihrem Bett schlief.
Zwei Stunden später wollte der kleine Hund hinaus und versuchte, sie zum Aufstehen zu bewegen. Also zog sie ein lose geschnittenes Kostüm an, das vorn zu schließen war und das sie deshalb ohne Hilfe anziehen konnte, nahm Figaros Leine und trat durch die Glastür auf die obere Galerie hinaus. Es war ein schöner Morgen. Das Geländer der Galerie war bereits warm von der Sonne, die auf dem betauten Gras vor dem Haus glitzerte. Für einen Augenblick schloss Lisette die Augen und genoss die sanfte Wärme auf ihrem Gesicht und das Licht, das als roter Schimmer durch ihre geschlossenen Lider drang. Trotz aller Probleme war es eine Lust zu leben. Lisette stieg die Treppe an der Rückseite des Hauses hinunter und der kleine Hund hüpfte neben ihr die Stufen hinab.
Dann schlenderte sie durch den Garten, den sie sich am Tag zuvor angesehen hatten, und neigte sich dann und wann zu einer Rose hinunter. Am anderen Ende des Ziegelpfades angekommen, blieb sie einen Moment lang unschlüssig stehen. Noch war keiner der Gäste auf, der ihr hätte Gesellschaft leisten können, für das Frühstück war es auch noch zu früh und sich in ihrem Zimmer zu langweilen, hatte sie keine Lust. Von ihrem Standort aus führte ein schmaler Weg seitab. Es war eigentlich nur ein Trampelpfad, der sich durch das hohe Gras schlängelte und Richtung Fluss im Wald verschwand. Der Tau auf dem Gras würde ihre Röcke bis an die Knie durchnässen, aber was machte das schon? Mit dem großen, weißen Haus als Anhaltspunkt konnte sie sich schwerlich verlaufen und Figaro zeigte starkes Interesse an dem Geschöpf, das zuletzt diesen Pfad entlanggelaufen war. So schlug Lisette entschlossen den Weg ein.
Wo der Garten in den waldähnlichen Park überging, bildeten die Kronen gewaltiger immergrüner Eichen ein hohes Gewölbe. Unzählige Farne entrollten ihre zartgrünen Wedel und die Ranken des gelbblütigen Jasmins, die von den Bäumen herabhingen, verbreiteten ihren Duft und ließen ihre gelben Blüten auf die dicken Moospolster rieseln, in die sich weiße und blaue Veilchen duckten. Die Luft war erfüllt vom Wohlgeruch der wilden Azaleen und des Hartriegels, der mit zunehmender Wärme immer stärker wurde und sich mit dem modrigen Geruch nach verrottendem Laub mischte.
Je näher Lisette dem Fluss kam, desto feuchter wurde die Luft. Mit gerafften Röcken stieg Lisette über Wasserlachen hinweg und dirigierte Figaro um sie herum. Der große Strom lag noch dem Blick verborgen hinter dem Damm, doch sein Rauschen war schon deutlich vernehmbar. Da und dort entdeckte sie die Spur von Tritten im Moos oder einen Fußabdruck auf dem schlammigen Boden. Hier war schon jemand vor ihr entlanggegangen, vielleicht die Gärtner oder jemand vom Hauspersonal. Auch einige Tierfährten waren zu sehen, die wohl von Waschbären und Opossums stammten oder von der Hauskatze auf Mäusejagd. Von einem Puma oder einem der Wildschweine, die den Wald bevölkerten, konnten die Spuren sicher nicht herrühren, dachte Lisette, dafür waren sie zu klein. Neugierig drang sie auf dem gewundenen Pfad immer weiter in den Wald vor und erwartete hinter jeder Biegung, ein verstecktes Sommerhaus zu sehen oder eine der malerischen pseudogotischen Ruinen, die so in Mode gekommen waren.
Da hörte sie ein leises Geräusch hinter sich. Figaro fuhr herum und knurrte verhalten. Mit klopfendem Herzen blieb Lisette stehen um zu lauschen, wobei sie sich eingestehen musste, dass sie sich mit ihren Fantasien über Pumas und andere Geschöpfe selbst in Angst versetzt hatte. Das geschah ihr ganz Recht, was musste sie sich auch so weit vom Haupthaus entfernen! Doch ein Blick zurück genügte, um festzustellen, dass sie sich immer noch in seiner Nähe befand.
Das Geräusch verstummte. Sicher war es das Rascheln eines Vogels im trockenen Laub gewesen oder ein Eichhörnchen oder Kaninchen, das in Deckung geflohen war. Lisette ging
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