Gefechte der Leidenschaft
südländischer Sentimentalität machte Caid ein wenig verlegen, obwohl er wusste, was Rio meinte. Hinter der nach außen sichtbaren Rivalität der Fechtmeister, mochte sie nun freundschaftlich oder unerbittlich sein, verbarg sich ein eigentümliches Gefühl der Zusammengehörigkeit. Sie waren eine Klasse für sich. Mit ihrer außergewöhnlichen Kraft und Willensstärke wurden sie von manch einem gefürchtet, von den meisten gerühmt, in allem nachgeahmt und doch nur halb geachtet. Diese Lehrer, Vorbilder und Gladiatoren, deren Großtaten auf dem Felde der Ehre die Neugierigen in Massen anzogen, bildeten eine eigene Gemeinschaft innerhalb der französisch-kreolischen Gesellschaft von New Orleans und das Herz dieser Gemeinschaft schlug in den wenigen Häuserblöcken der Passage de la Bourse. Sie schufen sich ihre eigenen Regeln, halfen und verteidigten einander, auch wenn sie stets bestrebt waren, Freund und Feind gleichermaßen auf der Fechtbahn zu übertreffen. Jeder dieser Männer musste für sich selbst einstehen, doch kränkte man einen von ihnen, so kränkte man alle, was nach sofortiger Wiedergutmachung verlangte. Sie waren ein eigener Schlag und wollten es meist auch gar nicht anders haben.
Die drei Freunde sprachen nun von anderen Dingen: von dem Mord an einem angesehenen Bürger und davon, wie oft leider dergleichen geschah, von der schrecklichen Explosion auf einem Flussdampfer, die vierunddreißig Todesopfer gefordert hatte, von den Präsidentschaftswahlen, bei denen es wohl auf einen Zweikampf zwischen den Whigs und den von Jackson geführten Demokraten hinauslaufen würde. Überall erklang zurzeit der Wahlslogan »Tippecanoe and Tyler, Tod«, denn mit der Erinnerung an die siegreiche Schlacht von Tippecanoe versuchte die Whig-Partei für John Tyler als Vizepräsident Stimmung zu machen.
Endlich, als gerade keiner der beiden anderen etwas sagte, schnitt Caid das Thema an, das ihm nicht mehr aus dem Sinn ging, seit er Lisette Moisant verlassen hatte.
»Du überraschst mich, mein Freund«, sagte Rio mit hochgezogenen Brauen, »ich hätte nie gedacht, dass du Zeit und Lust hättest, dir eine cherie amie anzulachen.«
»Habe ich auch nicht«, kam die knappe Antwort. »Die Dame ist absolut ehrbar. Ich muss ein Haus in einer guten, anständigen Gegend für sie finden.«
»Wie kommt es, dass dir diese Aufgabe zufällt? Hat sie keine männlichen Verwandten, die das für sie erledigen könnten?«
»Keiner, der sich die Mühe machen würde.«
»Aber du würdest es tun, ja? Komm schon, wer ist die Schöne? Und wie willst du es anstellen, sie irgendwo unterzubringen, ohne dass sie sich durch den Umgang mit dir unmöglich macht? «
Caid kniff die Lippen zusammen. Er hätte es sich denken können, nun musste er die ganze Geschichte berichten. Obwohl er nicht zu befürchten brauchte, dass seine Freunde ihm falsche Motive unterstellen oder die Sache herumerzählen würden, ging ihm das gegen den Strich. Einfach, weil seine Bekanntschaft mit der Witwe Moisant etwas sehr Persönliches war, was er mit niemandem teilen wollte.
Doch er wusste sehr wohl, dass es damit nicht ganz seine Richtigkeit hatte, und so holte er tief Luft und erzählte, wie sie einander begegnet waren.
»Was für ein Schlamassel«, bemerkte La Roche, als Caid fertig war. »Die Dame hat doch sicherlich noch andere Möglichkeiten, oder? «
»Sie behauptet, nicht.«
»Und du hast geschworen ihr zu helfen? Ich möchte wissen, wie sie das fertig gebracht hat.«
»Sie hat mich einfach darum gebeten«, entgegnete Caid und erwiderte offen den Blick, den ihm der Italiener aus zusammengekniffenen Augen zuwarf. Er konnte La Roche sein Misstrauen nicht verdenken. Es wäre ganz normal gewesen, wenn sich Lisette weiblicher Tricks bedient hätte, um seinen Beistand zu gewinnen. Warum hatte sie es nicht getan? War sie zu naiv, um zu wissen, welche Macht in ihrer Schönheit und weiblichen Anziehungskraft lag, oder war sie einfach zu offen und ehrlich, um sich zu einer solchen Bestechung herabzulassen?
Da gab es natürlich noch eine Möglichkeit. Vielleicht war er in ihren Augen viel zu weit unter ihrem Stand.
»Du fühlst dich verantwortlich, was? Oder hat sie vielleicht an deine Ritterlichkeit und an dein gutes Herz appelliert?«
»Ich besitze weder das eine noch das andere«, sagte Caid und funkelte ihn an.
»Doch, mein Freund, ich denke, das besitzt du«, sagte La Roche. »Vielleicht mehr als wir alle.«
»Ich kenne mich in der Stadt auch nicht
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